(Kdo chce zabít Jessii? Wer will Jessie umbringen?)
Václav Vorlícek, Tschechoslowakei 1966
Mit welcher Leichtigkeit auch im osteuropäischen Kino vor 1990 subversives Understatement auf die Leinwand gezaubert werden konnte, ist beeindruckend. Václav Vorlícek (der später mit Drei Nüsse für Aschenbrödel sowie andere Märchenklassiker für das östliche Kinderauge erschuf) inszeniert eine Geschichte von Milos Macourek. Ein Ehepaar arbeitet in der Forschung, die Frau erfindet ein Serum, mit dem man verdrängte (!) Träume in die Realität holen kann und diese durch "schöne" Imaginationen im Kopf des Probanten ersetzt werden. Ganz flockig lassen sich diese übrigens anhand eines Monitors, optisch den ostdeutschen Fernsehgeräten vor der Wende entsprechend, beobachten. Eine Kuh träumt so beispielsweise statt ihres Alptraumes von Scheißhausfliegen belästigt zu werden, in einer Hängematte zu liegen und an Blumen zu kauen. Die Fliegen derweil vergnügen sich im echten Leben, im Versuchslabor.
Nun begibt es sich ausgerechnet, dass ihr Ehemann nur ungern den ehelichen Pflichten nachkommt und immer Donnerstags zum Rapport aufs Ehebett gebeten wird. Viel lieber allerdings träumt der arme Kerl von einer blonden Superfrau, die er in in einem Comicreich vor einem Cowboy mit Alkigesicht und einem muskelbepackten Superman (Achtung: Amerikaschelte!) retten muss. Seine durchtriebene Ehefrau riecht den Braten als er eines nachts an seinem kissen herum kaut und schließt ihn kurzerhand ans Gerät an. Nebeneffekt: Die hübsche Maid samt ihren Verfolgern geraten in die Realität. Nachdem sie sich einen ganzen Tag lang in der sozialistischen Plattenbauwohnung des Wissenschaftler-Ehepaares (ganz Comicstyle) geprügelt haben, und diverse realsozialistische Einrichtungsgegenstände zu Bruch gehen, kommt es zum Katz-und-Maus-Spiel in der Realwelt. Das blonde Superweib ist dabei immer auf der Suche nach ihrem "Traummann" - unserem Wissenschaftler.
Vorlíceks Film ist neben seinen kreativen Einfällen (Sprechblasen in der Realwelt, Medienwechsel etc) vor allem ein gutes Stück anarchistischen Slapstick. Keine Frage, Wer will Jessie umbringen? ist in erster Linie eine Komödie, manchmal mit banalem, häufig aber auch mit gerissenem Witz. Unbeschnittenerweise verteilt er Seitenhiebe nach allen Seiten aus, sein fröhlicher Charakter machte es ihm sicherlich leicht, auch die satirischen Szenen gegen das eigene ideologische System durchzusetzen. Am Gewichtigsten dabei sicherlich die Gerichtsszene, in der ziemlich humorfrei über die "Freiheit der Träume" bzw. über deren Kontrolle debattiert wird. Anschließend versuchen die Wissenschaftler (immernoch angeführt von der fiesen Ehefrau) die Comicfiguren durch doch ziemlich rabiat-brutale Methoden das Leben zu nehmen (Einäscherung und Körperstrangulierung). Die Szenen werden zwar - ganz dem Comichaften verschrieben - unblutig und überhöht aufgelöst, die Idee allein allerdings ist interessant, das "Verdrängte" und das "Freiheitliche" durch Ultrabrutalität und purer Inhumanität aus dem eigenen ideologischen System tilgen zu wollen.
Mehr Kritik ist dann aber nicht drin, und so flitzt Who killed Jessie? von einem Abenteuerplotpoint zur nächsten Slapstickszene. Keinen Groll dagegen, denn mehr war sicherlich nicht drin, und die bis zum Ende ausformulierte Erzählung macht auch abseits der subversiven Momente großen Spass. Am Ende lässt sich der Film dann vor allem an dem ihn bereits stets durchziehenden misogynen Gesten nieder. Denn im Moment des Happy Ends (unser Wissenschaftler hat über seine dominante Ehefrau triumpfiert und lässt sich auf dem Bett mit der Superblondine nieder) fängt sie an zu sprechen und droht ihm: "Ab jetzt träumst du aber nur noch von mir!" Armer Kerl...
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