Samstag, 3. Mai 2008

Shock Corridor

Samuel Fuller, USA 1963
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| Milos Formans EINER FLOG ÜBERS KUCKUCKSNEST sollte 1975 ein großer Erfolg werden. Samuel Fullers SCHOCK CORRIDOR schaffte dies 12 Jahre zuvor nicht, sondern wurde sogar bis 1990 in England verboten. Dabei liegt das Böse, Zermürbende und psychisch Gewalttätige auch hier eng verbunden mit einem grotesken Humor, den ein Film der in einer Irrenanstalt spielt fast zwangsläufig ausstrahlen muss.

Der Journalist Johnny (Peter Breck) lässt sich in die Psychatrie einweisen, weil er einen Mordfall aufklären will, um - nicht gerade uneingennützig und hoch ehrgeizig - den Pulitzer-Preis zu gewinnen. Schon hier ein Einhaker: Unser Protagonist ist - ein wenig Noir-technisch - moralisch nicht einwandfrei, sondern entwickelt aus einem Behauptungswillen heraus einen fast unnatürlichen, ihn folgerichtig dann auch ins Verderben führenden Ehrgeiz. Hier schnappt die kritische Falle schon ein erstes Mal zu.

Mit der seinen Charakter bestimmenden Hybris (seine Freundin einmal: "Hamlet was made for Freud. Not you!") denkt er sich dann - filmisch fast vulgärpsychologisch gekoppelt an schief hängende Bilder von Freud - eine Geschichte aus, die ihn schnurstracks ins Irrenhaus befördert: Er habe seine Schwester begehrt - seine eigentlich Freundin (Constance Towers) spielt das Spiel mit und verhilft ihm trotz Bedenkens hinter die geschlossenen Mauern.

Johnny denkt einen Schritt voraus - nichts kann ihn erschüttern: innerer Monolog: Right about now is when he's supposed to ask me if I hear voices... Doktor Cristo: Do you hear voices, John?

In diesem Spiel der Selbstüberschätzung und Unterschätzung seines Gegenübers (die Wirkungen der Behandlungen, Verlustkontrolle über sich selbst, letztlich seiner manipulierten Biologie) kommt im Individuum zum Ausdruck, was SCHOCK CORRIDOR nun im Kernteil des Films eigentlich ausformulieren will. Der Film zeigt Amerika als kranken Patienten, schon vollkommen schizophren geworden, ob der eigenen Hybris.

Denn der aufzuklärende Mordfall fungiert hier nur als McGuffin, als Katalysator der symbolischen Handlung, an der Fuller eigentlich interessiert ist - 3 Zeugen gibt es, die abgearbeitet werden: Zeuge Nr. 1 spielt gerne den Bürgerkrieg nach, weil er als Frontsoldat meschugge geworden ist. Zeuge Nr.2 (grandios: Hari Rhodes) ist ein Schwarzer, der die Sprüche und den Hass des Ku-Klux-Klans überzeugend nachpredigt. Zeuge Nr.3 eine Atomphysiker, der an der Atombombe mitgebaut hat und nun auf dem Stand eines 6-Jährigen den ganzen Tag Bilder malt.

Krieg, Rassimus, Hiroshima - Amerikanische Traumata, die SCHOCK CORRIDOR abarbeitet, eindeutige Symbolismen, Absichten, Aufklärung. Nochmals ziemlich vulgärpsychologisch versimplifiziert entlockt Johnny den Dreien die Fakten über den Mord, indem er sich ihrer annimmt und ihr Spiel mitspielt - irgendwann tritt schon der "normale" Charakter hervor. Dem gegenüber steht die schöne Idee, jene "Verrücktheiten" auch für den Zuschauer sichtbar zu machen und diegetisch zu verarbeiten (z.B. in Farbaufnahmen der Gedanken der Insassen). Wir sprechen hier schließlich nicht distanziert über irgend jemanden, sondern auch du - lieber Zuschauer - bist hier angesprochen.

Am Ende also ist Johnny seiner Frau, seines Lebens, seiner Hybris - wohl aber nicht des Pulitzer Preises beraubt. Der Grund wohl, warum der Film so stiefmutterhaft ausgenommen wurde, schlicht die Konsequenz, diese fies ausgespielte Hoffnungslosigkeit. SCHOCK CORRIDOR gebührt damit höchste Sympathie und ein Zurückrücken ins öffentliche filmhistorische Gedächtnis.

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