Mittwoch, 21. Januar 2009

Aguirre, der Zorn Gottes

Werner Herzog, Deutschland/Peru/Mexiko 1972
Wie lässt sich Wahnsinn filmisch darstellen? Apocalypse Now hat es da einst versucht, Clockwork Orange ließe sich anführen, oder etwa auch Schock Corridor. Am Besten ist es vielleicht aber doch, wenn ein Film über Irrsinn auch unter Bedingungen hergestellt wurde, die absurd und abstrus erscheinen. Schaut man sich Aguirre, der Zorn Gottes an, so - und das ist äußerst selten bei einem Film - sieht man ihm seinen Schaffensprozess förmlich an.

Klaus Kinski ist entgegen der allgemeinen Meinung da auch nur ein Rädchen im Betrieb dieses aus den Ufern gelaufenen Projekts. Er spielt den Inbegriff des in seiner Hybris untergehenden, moralisch verwerflichen, Macht korumpierten Menschen, in diesem Fall im abstrakten Historienszenario auf einer Kolonialexpedition durch den Amazonas-Regenwald Ende des 16.Jahrhunderts. Durch die übergroßen Naturszenarien kämpft sich der Trupp, gespielt angeblich aus einer Mischung von echten Eingeborenen und von der Straße geholten Obdachlosen. Immer mit dabei als Symbol der behaupteten Überlegenheit einer menschlichen Übermacht - eine Kanone. In rostiger Kluft schlagen sich die Männer beinahe orienterungslos und umgeben von einer Natur, die das Knäuel aus Menschenfleisch gut und gerne jederzeit als Spielball benutzen kann, durch den Dschungel. Entscheidend bei diesem in jeder Hinsicht "unperfektionistischen" Film ist neben seiner steten Geistesabwesenheit und Verlorenheit auch im Filmischen dann das Ende. Dem Wahn, der Krankheit und dem Tod verfallen stürzt Kinski vom einen Ende des Floßes zum Anderen, umgeben von Leichenbergen und einer Horde Affen, die Herzog angeblich sich als Tierarzt ausgebend von einem Flugplatz gestohlen haben soll. Dabei säuselt er seine Größenfantasien der Kamera entgegen und an ihr vorbei, ganz weltvergessen, fast poetisch. Der Menschentross hat sich von ihm in die Irre führen lassen, fast widerspruchslos, wie das Menschenmassen in der Geschichte ja schon so häufig getan haben, direkt in ihr Unheil. Diese Szene ist - majeströs, desaströs untermalt von der Musik Popol Vuhs - der wegweisende Klimax für die gesamte Rezeption. Einmal wird hier ganz aufs Filmische gegangen, die Kamera dynamisch-selbstbewusst ums Floss kreisen gelassen, die Musik laut aufgefahren wie Fanfaren für das Meisterliche.

Wenige Worte sollen noch verloren werden zu den Themen Humor und Syncronisation. Ganz entscheidend und fast aus dem Film herausreißend stellen sich kurze humoristische Momente ein ("Lange Pfeile sind in Mode gekommen."). Zum Einen geht das, weil der ganze Film eben auch einen steten Verweis auf den Herstellungsprozess beinhaltet, und diese Momente dann nochmal bewusst "herausreißen". Zum Anderen lässt sich Wahnsinn durch Wahnwitz sicherlich recht adäquat wiedergeben. Dahingehend ließe sich vielleicht auch die lausige, wirklich obzön furchtbare Synco einordnen. Trotzdem fühlt man sich zuweilen wie in einem spanisch-italienischen Abenteuerfilm (als Genrependant zum Italowestern), dem in deutschen Syncronstudios eine unfreiwillig komische Note zugefügt wurde. Der eh schon verquer-seltsamen Stimmung tut dies freilich keinen Abbruch.

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