Todd Solondz, USA 2004 / Miranda July, USA 2005
Wo es das postmoderne Independentkino aus Amerika in den letzten Jahren hinverschlagen hat ist anmerkenswert. Die neuen Welten von Anderson, Russell und co setzen sich zusammen aus seltsamen Stimmungen, grotesk-tragischen Situationen, skurril-neurotischen Figuren und narrativen Tricksereien, die meist weniger selbstzweckhaft sind als die Plotpointen des Hollywoodkinos. Diese filmischen Verwirrspiele vermögen es besser als jeder Genrefilm einen Zeitgeist nachzuzeichnen, den es sich lohnt aus der bunten Gemüsesuppe herauszulesen.
Zwei der vielleicht kennzeichnendsten Vertreter aus dieser New Whimsy-Welle sind Todd Solondz PALINDROMES und Miranda Julys YOU AND ME AND EVERYONE WE KNOW. Solondz Film greift zunächst ein bedeutsames Phänomen auf: Im ersten Drittel skizziert er die Leidensgeschichte des adoleszenten Unbehagens, der sensiblen und häufig verqueren Identitätsfindung. Acht verschiedene Figuren spielen ein Mädchen, dass sich aus einem Mix aus Neugier und Langeweile schwängern lässt - eine bezeichnende Szene der Unsicherheit. Alle acht Figuren unterscheiden sich in etlichen Aspekten voneinander (Körperfülle, Hautfarbe), jedoch nur geringfügig im Alter. Das Teen flüchtet und stürzt in eine Situation, von der an PALINDROMES seltsam umkippt in einen überdrehten Abgesang an eine fundamentalistische christliche Rechte und praktisch einen neuen Film anfängt. Am Ende dreht sich alles zurück auf die Vorstadthölle aus der das Mädchen gekommen ist, und die tragische Figur der Geschichte - der intellektuelle Schwarzseher - ergreift als Ausgestoßener das Wort und klärt im pessimistischen Schlussmonolog auf.
Miranda July hingegen entwirft keinerlei Konzeptwerk, sondern intuitives Fragmentkino. Im auf der DVD angehängten Interview mit ihr wird schnell klar mit welch künstlerischer Exaltiertheit man es bei der Stichwortgeberin zu tun hat. So ungeordnet und verquer ihre Gedankenwelt ausformuliert ist, so stellt sie sich auch in YOU AND ME AND EVERYONE WE KNOW dar. Keine Kurzgeschichte wird ohne Tabu versehen, keine Figur ohne Affektiertheit, keine Entwicklung ohne skurriles Gimmick. Wird bei PALINDROMES vor allem eine Ziellosigkeit und eine Gefangenheit in einer ungeordneten Welt thematisiert, gibt July auf formaler Ebene Auskunft über ihre Gefühlswelten, die sich im modernen amerikanischen Independentkino des Häufigeren finden lassen. Ihr bizarres Universum der Stichwörter, in dem man schnell - Hoppla! - die Hand vor den Mund nehmen darf, wirkt wie ein Prototyp eines Himmelskörpers, der in einer Galaxie aus Andersons und Braffs eine Richtung anzeigt, deren genaue Koordinaten erst noch gefunden werden müssen.
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