Montag, 24. November 2008

The Fall

Tarsem Singh, Indien/Großbritannien/USA 2006

In all der Simplizität der Erzählung, in all dem sehr einfachen und offenen Umgang mit dem Rezipienten bleibt es mir doch fast unergründlich - wie schafft Tarsem diese Bilderproduktion?

Manch einer will Film ja gerne auf die Bilderwelten reduzieren. Den Moment des a priori. Auch gerne ein Blick durch Kinderaugen. Aber waren es früher die Bilder, die uns vornehmlich bewegten, oder sind sie es nur, die "im Kopf hängen blieben"? Waren es nicht vielmehr Stereotype, Konturen, Erzählstränge u.Ä. die maßgeblichen Einfluss hatten? Die Frage mag vielleicht jeder auch für sich anders beantworten.

Tarsem Singh nun kann man eine Bilderproduktion rein für das kindliche Auge vorwerfen oder nicht. Ankommen tut sie jedenfalls auch beim Erwachsenen. Er schoss die surrealsten Bilder an den abgelegensten, unrealsten Orten in 18 verschiedenen Ländern und befindet sich ohne auch nur einmal künstlich oder unbelebt zu werden ad hoc in den Sphären eines Märchens. Und dessen Struktur ist bei weitem nicht so simpel wie sie von den Kritikern geredet wurde.

Ein osteuropäisches Mädchen lauscht gespannt den Worten eines verunglückten Stuntmans in einem Hospital im Los Angeles der 20er Jahre. Er erzählt ihr eine Geschichte von 5 Männern verschiedenster Herkunft und Coleur, die sich aus unterschiedlichsten Gründen an einem Gouverneur rächen wollen. Als das Mädchen selbst Einfluss auf die Erzählung nimmt, vermischen sich ihre Eindrücke aus dem täglichen Leben im Hospital und der Fiktion der Geschichte zusehends...

Was ist nun THE FALL außer einer Bilderexplosion noch? Ein Film über die Frage nach Autor und Rezipient. Ein sehr simples, emotionales Werk über die Opposition von Lebensoptimismus (Mädchen) und -pessimismus (Mann). Ein sehr einfaches Märchen, narrativ gar nicht so minder komplex zusammenerzählt. Zuweilen auch elegisches Kino der Flächen, Weiten und Farben.

Interessant und fast ein wenig unverständlich bleibt in diesem Zusammenhang die Auswertung des Films. THE FALL lief nicht etwa im großen Stil auf Festivals oder bekam einen mustergültig beworbenen Kinostart. Sein größter Erfolg blieb gerade einmal der Gewinn des kristallinen Bären der Kindersektion in Berlin sowie den Hauptpreis beim Nischenfestival des fantastischen Films in Sitges. Nun, 2 Jahre nach Fertigstellung der Produktion drängt er vollkommen verspätet auch in die deutschen Kinos und scheint an einem DVD-only Release nur knapp vorbei geschrammt zu sein.

Erstaunlich, dass die Erwachsenen mit diesem offensichtlich als Kinder- oder Genrefilm abgestempelten Werk nicht unzugehen wissen. Dabei ist die Bilderkonzentration des Filmes dieses mysteriösen Inders, der vorher vor allem Werbefilmer war, in Zeiten der Vollemotionalisierung in allen erdenklichen Sparten der audiovisuellen Verköstigung eine willkommene ehrliche Abwechslung. In einer Art surrealen Naivität kann man sich hier in eine Welt fallen lassen, die tatsächlich das Momentum des Eskapismus, einer wahrhaftigen Welt, die Singh mit seiner Kamera gefunden hat, auslebt. Wenn Kino vor allem auch Bilderproduktion, -verarbeitung und -genuss ist, dann wäre THE FALL das Meisterwerk. Und auch ohne solcherlei Bohei ist er immer noch eine verdammt beeindruckende Gestalt.

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