Freitag, 12. Dezember 2008

Waltz with Bashir

Ari Folman, Israel/Deutschland/Frankreich/USA 2008
Was ist Vorgabe, was ist Nachinterpretation? Was ist Rekonstruktion, was ist filmische Konstruiertheit? Bei keinem Film war das dieses Jahr so schwer auseinander zu halten wie bei WALTZ WITH BASHIR. Die Prämisse ist simpel: Ein israelischer Regisseur macht sich auf die Suche nach seiner Erinnerung an die Teilnahme im Libanon-Krieg 82. Er befragt Freunde, rekonstruiert ihre Geschichten per Animation, einerseits um Distanz für die Protagonisten, andererseits auch für die Zuschauer zu schaffen. Alles wird wiedergegeben. Auch Träume oder von Psychologen erzählte Verhaltensmuster und Geschichten.

Das Paradoxon am Film ist nun, inwiefern diese "Tatsachenberichte", diese subjektiven Dokumentationen echter Personen sich abgrenzen lassen zum Gestus und Habitus des Films. Denn WALTZ WITH BASHIR ist geschickt berechnet. Er zieht uns schon frühzeitig hinein in einen depressiven Sog, lässt uns Angstzustände und alptraumhafte Kurzepisoden durchleben. Viel Musik (v.a. von Max Richter) dient der Erhöhung der düsteren Anspannung. Schnell wird klar, dass WALTZ keinerlei wertfreie Dokumentation über die "Wiedererlangung einer Erinnerung" ist, sondern eine trüb-subjektive Färbung als Grundelement in seiner Zusammensetzung enthält. Noch genauer genommen: WALTZ spielt sehr bewusst mit seiner nach dem Muster der An- und Entspannung gesetzten Taktung von nüchternen Erzählungen und Stimmungsbildern.

Diese für den Film nur allzu effektive Strukturierung wird dann problematisch, wenn man Ari Folmans Erzählung für bare Münze nimmt. Nach den Strukturen des Films "entdeckt" Folman seine Erinnerung nach und nach. Nur so entsteht eine Dramaturgie, die den Zuschauer zum Mitentdecker macht, nur so ist eine emotionale Zuspitzung möglich, die am Ende - logischerweise - zu den "echten" Nachrichtenbildern führen muss, und damit den Endpunkt der Erinnerungswiederfindung, sowie den Endpunkt der tragischen Erzählung finden kann. Es sind die gleichen Nachrichtenbilder, die objektiv längst vorgelegen haben, lange vor der Planung des Films.

Als Platzhalter für die Entdeckung, die Folman nicht von alleine machen konnte, hält übrigens ein israelischer Reporter her, der tatsächlich als ein den Kugelhagel tapfer durchwandernder Heroe eingeführt wird. Eine der vielen pathetischen Szenen, die manchem zynisch aufgestoßen sind. Diverse Kriegsfolklore (saubererweise immer mit negativem Einschlag) werden angestimmt, es wird Waltzer auf dem Parkett des Todes getanzt.

Aber all das macht Folmans Film eigentlich auch nur so gut. Er ist waghalsig, kritisch, lässt nichts aus zugunsten einer einwandfreien Darstellung. WALTZ WITH BASHIR schafft es sich einer politischen Tragödie riesigen Ausmaßes mit der einzig adäquaten Methode zu nähern - mit dem subjektiven Blick. Der Film steckt voller Nostalgie, voller Zeitkolorit, er erschafft empathische Bilder, die trotz ihres überschwänglichen Pathos äußerst ehrlich wirken. Überhaupt ist diese grobkantige Animation schon deshalb ein voller Zugewinn weil sie Bilder erschafft, die hängen bleiben, und davon nicht wenige. Keine Szene ist hier zuviel, jede Emotionssteuerung funktioniert. WALTZ ist ein Film, der einen hineinzieht und am Ende zielgerichtet erschüttert. Mag sich der Eine oder Andere vorgeführt vorkommen wegen falscher Prämissen oder erzwungener Strukturen - WALTZ ist ein Antikriegsfilm der neuen Wege, oder - um am Ende nochmal platt zu werden - die Fortführung des in den letzten Jahren fast eingeschlafenen Antikriegsfilms mit anderen Mitteln.

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