Isabel Coixet, Kanada/Spanien 2002
So ein Film hat mir jetzt gerade noch gefehlt. Nicht nur mir, sondern auch allen. Und der Filmwelt. Jemand bekommt den bescheid, dass er bald an Eileiter-Krebs stirbt und hat nun noch eine Restzeit, die filmisch abgeleuchtet wird. Kennt man sonst nur aus Emergency Room. Ist aber tatsächlich ein filmischer Stoff, der gelingen muss.
Ann (Sarah Polley) also ist die von Gott Auserwählte. Sie hat einen liebenden Ehemann, 2 tolle Töchter, wohnt im Trailerpark, hat emotionale Eiszeit mit der Mutter und gar keinen Kontakt mehr zum Vater, der im Knast sitzt. Was nun passiert zeugt von Gelassenheit und Stärke. Sie schmiedet in melancholischer Nonchalance Pläne - neue Frau für den Mann und Töchter suchen, einen Anderen in sich verliebt machen, den Vater wiedersehen etc.
My Life Without Me ist überwältigend, ob man das positiv oder negativ konnotieren mag. Die Tränen fließen auf und abseits des Bildschirm in rauen Mengen. Nicht schwer bei dem Thema möchte man meinen. Und doch hat der Film etwas Bemerkenswertes zu leisten. Er handelt von Traurigkeit. Von scheiß Leben. Vom Leben als Scheißehaufen. Trailerpark, Schönheitsidealen hinterherrennenden Frauen, Hebammen die Säuglinge in den Tod begleiteten, Männer die Swimming Pools für sozial Höhergestellte bauen, Männer die im Knast fernab der lebendigen Welt verrotten. Die Welt ist so ein großer Haufen Dreck, das wir nicht anders können als in jeder Minute heulen. Wunderbar.
Erstaunlich wie Coixet im Nebenher eine Romanze (Mark Ruffalo als Lover und gescheiterte Figur, nochmal jemand der am Ende seiner Kräfte ist) etabliert und Musikstücke zur emotionalen Untermalung drunterhaut als ob das hier nicht alles ein ganz großer Depri-Reigen wäre. Das macht Ann natürlich ziemlich zwiespältig und lässt doch eine Geschichte der letzten Liebe aufkommen, wie sie in einem Lebensabschnitt etabliert bleibt. Die letzte Szene als emotionaler Aufbau Ruffalos zeugt von moralischem Abdecken der Episode. Überhaupt gibt's immer mal wieder was zu kritisieren unter den Tränen. Die Musical-Szene im Supermarkt etwa, bei der das arbeitende Volk doch etwas überhöht dargestellt wird. Hier bitte soziale Kontexte mitbeachten. Und genau: Leben so lebenslustig-zufriedene Menschen im Trailerpark?
Oh ja, Life Without Me versprüht ebenfalls einen gewissen Lebensoptimismus. Sei froh Kunde, das du noch Leben kannst. Tu es dann bitte auch. Mit dem abruptem Ende verschweigt uns Coixet den Schmerz der Nebenfiguren. Erspart uns auch die Trauer. Reicht ja auch, wir haben genug gelitten. Life Without Me ist ein Kopffilm, bei dem Coixet jedoch gezielt die Knöpfe zu drücken vermag. Ein emotionaler Magengrubenbearbeiter. Eine großartige Entdeckung.
Sonntag, 2. November 2008
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