Samstag, 22. November 2008

Jerichow

Christian Petzold, Deutschland 2008
Die herbst-winterliche Stimmung, die verträumten Landschaften eines leeren Ostdeutschlands, der theatralische Minimalismus, das Noir-hafte Ambiente, Geld und Materialismus als begierliche Faktoren und Katalysatoren der Erzählung, kaputte Seelen, verletzte Beziehungsgefüge, eine Frau und zwei Männer, das leise Rauschen in den Baumwipfeln, die pasteurisierte Tragik.
Nein, ich spreche nicht von YELLA, wenngleich die Begriffssammlung hier ebenso gut passen würde. Die Rede ist von Christian Petzold neuem Film JERICHOW.

Im Niemandsland (und doch geografisch genau gefasst) wird die Geschichte des blanken jungen Thomas (Benno Fürmann) erzählt, dessen Mutter gestorben ist und er nun ihr Haus im besagten Ort bewohnt. Schulden hat er, Arbeit braucht er. Dank der Hilfe und tatkräftigem Einsatz bei Nachbar Ali (Hilmi Sözer) bekommt er einen Job als Fahrer für dessen Gastro-Logistik-Ich AG. Der depressive und alkoholkranke Ali hat auch eine hübsche Frau (Nina Hoss) und so nimmt die Geschichte den tragischen Lauf, der sich ach so hunderfach im Kino bereits abspielte.

Petzold bleibt sich in vielen Aspekten gerade im direkten Abgleich zum Vorgänger treu. Er konstruiert in einem streng-formalen Manierismus eine Geschichte, die so abstrus erscheint, dass die Humanista tatsächlich abstrahiert werden müssen. Funktionieren tut dies wie schon bei YELLA erstaunlich gut. Die hypnotisierende Sog-Wirkung in Petzolds Filmen speist sich aus diesen so unterschiedlichen Fronten. Hier lässt sich ein künstlerisches Konzept erkennen, welches auf Intuition setzt und sich fallen lässt ins Abenteuer Film.

Petzolds Kopfgeburten besitzen seit jeher die Nebenwirkung einer sich Bahn brechenden intellektuellen Gespreiztheit, die nur allzu gern einen Schwermut transportiert, der in seiner Vorrangigkeit einen moderigen, unangenehmen, typisch deutschen Geruch verbreitet. Das ist natürlich nur eine Beobachtung nebenher, schwieriger wiegt in diesem Fall vielleicht die bereits angedeutete, zu leicht zu ziehende Linie zum Vorgänger. Damit ist zwar klar: Der Film wird was. Aber auch: Weiterentwicklung findet sich hier nicht.

Irgendwo aber auch schnurzpiepegal. Petzold legt natürlich trotz der peniblen Mokierungen den mit Abstand besten Film des Jahres aus Deutschland vor. Sein parabelhafter Stil passt nach wie vor zur Bestandsaufnahme der Befindlichkeiten. Geld, Gier und Gewissen sind alte Motiv-Tugenden des Films und wirken in dem elegischen Stil Petzolds zeitlos. Zudem gelingt es dem Film trotz der Gestelztheiten stets überzeugende, tragische Figuren abzubilden, sei es in der geschlagenen, wortkargen, verlorenen Männlichkeit Fürmanns, der geheimnisvoll verlorenen Schönheit Hoss oder der polternden, alternden Verlorenheit Sözers. Petzolds Filme sind letztendlich immer ein eigenes Universum der ausstaffierten Miseren, der kühlen Desaster, des bezaubernden Zerfalls.

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