Donnerstag, 2. Oktober 2008

Filmfest Hamburg 2008 # 4

Eröffnungs- und Abschlussfilme sind so eine Sache. Da das Filmfest Hamburg kein wirkliches Profil besitzt, und vor allem keinen richtigen Wettbewerb kann die Wahl dieser beiden Filmchen der Veranstaltung wenn schon kein Gesicht dann doch zumindest eine Maske geben. Als Opener wählt man nun regelmäßig deutsche Gebrauchsware, und hieß es erst noch der bestimmt ganz großartige Schnapschuss ins Techno-Submilieu Berlin Calling solle dies sein, änderte das Fest es noch zum nicht minder bemittelten Nordwand. Viel Spass dabei! Tradition verpflichtet. Auch Schlechte.

Der Abschlussfilm immerhin hörte sich zumindest auf dem Papier an als ob man dazu morgens um 10 sein Nickerchen fortsetzen kann, da man sich doch nicht allzu sehr über den Schmonzes auf der Leinwand aufregt. Eldorado handelt von 2 Männekens, die gemeinsam in die weite Welt ziehen, einer ein Griesgram mit weichem Herz, der andere eine bemitleidenswerter Drogie. Stilsicher wandelt der Film dann zwischen traurig sein machen und Schmunzeln so breit die Mundwinkel reichen. Nanu, sowas kennt man doch nur aus Skandinavien?! Nee, die Belgier können das auch ganz gut, und wenn das jetzt schon dort angekommen ist, könnte man dann nicht mal drüber nachdenken sich auch mal wieder an anderen, ehrlicheren Humor umzusehen? Wenn dieser Film ein Profil des Festivals umreißen soll, dann könnten man sich fast schämen hier Dauergast zu sein.

Ein ganz anderes Kaliber dann schon Adhen von Rabah Ameur-Zaïmeche. Der Algerier bringt den Arbeiterfilm zurück aufs Parkett, Marx würde sich da vielleicht freuen. Fragmentarisch erzählt das Werk von einer Schar nordafrikanischer Einwanderer in Frankreich, die sich in einer Paletten-Fabrik verdingen. Es geht um Religion und Arbeit, um Traditionen und Anpassung. Alles mündet in einen offenen Konflikt und Streik. Der Film ist eine Sitzprobe sondergleichen, bleibt ästhetisch naiv und simpel und entfaltet dadurch seine Kraft - wenn man nicht schon längst das Kino verlassen hat.

Spannender da schon, was Pablo Larrain in Tony Manero veranstaltet. Verrückt ist das, bekloppt, hanebüchen, unangenehm. Er schickt uns auf die Reise mit einem Unsympathen, John Travolta-Verehrer und Serienmörder. Letztgenannter Fakt ist ebenso im Nebenbei zu betrachten wie die Pinochet-Diktatur, die dort im Hintergrund rauscht. Denn das Ganze spielt im Chile der 70er Jahre. Da werden Menschen auch mal gefoltert und abgeführt. Das findet aber Off-screen statt, denn unsere Kamera interessiert sich nur für das Ekel Raoul. Der NebenAffekt bedeutet damit auch: Die Morde des Mannes, dessen Schweißperlen wir stets sehen können machen uns mehr zu schaffen als das gesellschaftliche Klima, das wir - wie er - nur partiell wahrnehmen. Ein dreckiger kleiner Film ist das, der bei mir noch Stunden nach der Sichtung für vollkommene Unschlüssigkeit sorgte. Inzwischen weiß ich: Diese Schweinerei gefällt mir. Und eine Zweitsichtung ist nötig.

Glanz und Glorie verbinden sich mit dem Namen Versailles - in Pierre Schöllers gleichnamigen Film sieht der europäische Edelort für gelangweilte Touristen auf einmal ganz düster, dreckig und grau aus. Er erzählt die Geschichte eines Kindes, das immer wieder aufs Neue verstoßen wird. Zunächst von der noch jungen Mutter im Stich gelassen, wächst es bei Aussteigern im Wald auf. Später dann kommt es in eine gutbürgerliche Familie, doch die Bindungsschäden sind inzwischen zu stark sichtbar. In Frankreich läuft etwas gewaltig schief mit dem sozialen Netz. Das verstoßene Kind darf - muss aber auch nicht - gerne sinnbildlich gesehen werden für die Schäden des Rechtsrucks, den die Bürger ertragen müssen. Der Film funktioniert auch deshalb so gut, weil alle Figuren glaubhaft vermittelt werden und die Narben ihrer eigenen Geschichte tragen.

Versailles ist auch deshalb ein schöner Film, weil er keine Künstlichkeit prätendiert. Das Hauptproblem eines der Centerpieces des Festivals - Nuri Bilge Ceylans Three Monkeys. Der Film beschaut sich die Auswirkungen eines Lügenkonstrukts. Ein Vater und Chauffeur für einen führenden Politiker geht für diesen in den Knast. In dieser Zeit vergnügt sich die Ehefrau mit dem selbstverliebten Mann, der die anstehende Wahl trotz der nicht herausgekommenen Affären haushoch verliert. Irgendwann bekommt der Sohn die Situation spitz, der Vater kommt aus dem Knast und die Lage eskaliert... Ceylans Film strotzt nur so vor Schwerfälligkeit in seinen getönten Bildern. Die schroffe Aura, die poetische Tragik in jedem transportierten Bild, die Wortlosigkeit, alles sorgt dafür, dass Three Monkeys lange Zeit ein intensives Filmerlebnis ist. Irgendwann aber wird der Zuschauer dem Gehabe überdrüssig. In Cannes schliefen die Hälfte der Kritiker während der Vorführung ein. Das ist auch kein Wunder, denn wer möchte sich schon 110 Minuten in dieser konstruierten Prätention ergehen? Ceylan macht durch sein Bestehen auf die bleierne Bedachtsamkeit auf die Überlänge erstreckt seinen Film und dessen Wirkung kaputt. Ein interessantes, aber unbefriedigendes Filmerlebnis.

Bliebe noch eine Runde Entspannung: Tokyo! umfasst drei ca 30 Minüter von drei uns bekannten Namen. Michael Gondry präsentiert uns in Interior Design einen Studentenfilm, jeder der mal in einer viel zu kleinen Butze bei Freunden untergekommen ist wird sich hier wiederfinden dürfen. Gondry inszeniert Tokyo wie es für kleines Geld eben aussieht. Enger Raum für junge Menschen. Leos Carax legt es da schon bunter und lauter an: In Merde lässt er ein koboldähnliches Wesen (Denis Lavant) auf die Japaner los, dass diese nicht ausstehen kann und terrorisiert. Carax Parabel auf Terrorismus, Fanboytum und Medien lässt sich kritisch an und erfreut sich des Bumors eines Jean-Pierre Jeunet. Kann also gar nicht so schlecht sein. Joon-ho Bong schaut am Ende noch mit seinem Märchen Shaking Tokyo in die Runde. Ein soziopathischer Einzelgänger und Zwangi schließt sich in seine Wohnung ein bis eines Tages eine Gleichgesinnte seine Denke durcheinanderwirbelt. Für den sympathischen Schnuckel gilt wie für viele Episodenwerke. Schön anzusehen, aber Druck und Erwartungen nicht zu hoch ansetzend eben auch nur verarbeitete Ideechen ohne Anspruch auf allzu große Seriösität.

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