Muxmäuschenstill
Hysterisches Gleiten zwischen bitterböser Satire und seltsamem Beziehungskomödchen. Kriegt die Idee für einen durchgehenden Tonfall nicht.
Battle in Seattle
Fetziger Agitprop, der ungebrochen die Coolness des linken Widerstandes beim WTO-Gipfel in Seattle 1999 ausstellt. Platt, emotionalisierend, unterhaltsam.
Max Payne
Schäbes Stück Actionkino, beliebig zusammengeklaubt, seelenlos zusammenmontiert und voller unfreiwilliger Komik, vor allem auf Schauspielebene.
Wind Chill
Harmlose Horrorkonstruktion, bei der mal wieder alte Geister durch den Wald gejagt werden. Anheimelnd, vorhersehbar, unnötig. Aber mit herausragendem Score von Mansell.
The Wedding Planer
Die neuen Episoden aus der Telenovela "Wenn 2 Menschen für einander geschaffen sind" werden aber auch immer langweiliger...
Masters of Horror: The Black Cat (Stuart Gordon)
Grundsolider Grusel nach Edgar Allan Poe, der zum Ende hin schön selbstreflexiv und blutig wird.
Violent Shit 3 - Infantry of Doom
Amateurschrott, der sich in seinem Getrashe entweder zu ernst nimmt oder einfach zu wenig Ideen hat um sich zu rechtfertigen.
Oswalt Kolle - Zum Beispiel: Ehebruch
Humorvoller Blick in die späten 60er, eigentlich eine Sexfilmklamotte, aber eine freche
The Plague (UK 2006)
Verquatschter, unfokussierter Milieueinblick.
Mr. & Mrs. Smith (2005)
Spassballett ohne Überraschung.
El Baño del Papa
Ethno-Liebelei mit sozialem Impetus. Zerfahren und viel zu naiv-lieblich.
Dienstag, 28. Oktober 2008
It's a Free World...
Ken Loach, Grossbritannien/Italien/Deutschland/Spanien/Polen 2007
Angie (Kierston Wareing) ist ein toughes Mädel, hat britischen Charme, sieht aus wie 'ne Businessschlampe und spielt auch gerne mit diesem Image. Nachdem sie von ihrem chauvinistischen Chef vor die Tür gesetzt wird pfeift sie auf all die Warnungen und macht ihre eigene Firma auf. Angies Beruf war Arbeitsvermittlung und so vermittelt sie nun Leiharbeiter weiter. Schnell merkt sie, dass illegale Schwarzarbeiter ja auch Herzen und Familie haben und sich außerdem noch gut Kohle mit ihnen machen lässt, weil sie nicht aufmucken. So verstrickt sie sich immer weiter in Komplikationen...
Was der alte Sozialknuffbär Ken Loach hier auftischt, ist mehr als happig, es ist ein verdammt guter Film. Loach lernt noch im Alter mit jedem Film dazu möchte man meinen. Waren seine früheren Arbeiten häufig sperriges Politkino, das nicht selten Thesenformulierung anstatt Figurenentwicklung im Sinn hatte, änderte sich dieses die letzten Jahre vermehrt. In It's a Free World findet der Prozess nun seinen vorläufigen Höhepunkt. Loach kreuzt seinen sozialen Impetus mit einem Happy-Go-Lucky Charme und führt seinen Zuschauer auf die Eisbahn. Angie ist ein fesches Blondinchen, dass nicht nur attraktiv, sondern auch bodenständig und abgehärtet ist, eine Macherin, lebenslustig, sympathisch, liebenswürdig. Angie gerät aber in die soziale Wirklichkeit. Und die hat es in sich. Die ersten Risse werden deutlich als man bemerkt, was für eine lausige Mutter sie für ihren Sohn ist. Die alltäglichen Situationen in die sie gerät, sind auf den ersten Blick normal, auf den zweiten offenbart sich aber eine knallharte Realität. Was machen mit den illegalen Asylanten? Wieviel Arschkriechen ist erlaubt beim Unternehmer, der für seine Firma billige Ausländer will, die ihr Maul halten? Wie die eigene Firma auf die Beine stellen angesichts der Widrigkeiten? Woher dann auf einmal das Geld nehmen, das den Vermittelten zusteht?
Die ganz normalen Konflikte der Arbeitswelt verdichten sich zum physisch schmerzenden menschlichen Drama. Man spürt die soziale Kälte durch die Leinwand nur zu gut, und das trotz unserer doch zu freudeversprühenden Protagonistin. Auch ein filmisch intensivierter Charakter muss mit den sozialen Umständen klar kommen. Dass dies nicht immer so rosig aussieht wie im durchschnittlichen Kino, davon erzählt It's a Free World. Von einer ehrlichen, erschütternderen Welt. Von einer Alltäglichen.
Angie (Kierston Wareing) ist ein toughes Mädel, hat britischen Charme, sieht aus wie 'ne Businessschlampe und spielt auch gerne mit diesem Image. Nachdem sie von ihrem chauvinistischen Chef vor die Tür gesetzt wird pfeift sie auf all die Warnungen und macht ihre eigene Firma auf. Angies Beruf war Arbeitsvermittlung und so vermittelt sie nun Leiharbeiter weiter. Schnell merkt sie, dass illegale Schwarzarbeiter ja auch Herzen und Familie haben und sich außerdem noch gut Kohle mit ihnen machen lässt, weil sie nicht aufmucken. So verstrickt sie sich immer weiter in Komplikationen...
Was der alte Sozialknuffbär Ken Loach hier auftischt, ist mehr als happig, es ist ein verdammt guter Film. Loach lernt noch im Alter mit jedem Film dazu möchte man meinen. Waren seine früheren Arbeiten häufig sperriges Politkino, das nicht selten Thesenformulierung anstatt Figurenentwicklung im Sinn hatte, änderte sich dieses die letzten Jahre vermehrt. In It's a Free World findet der Prozess nun seinen vorläufigen Höhepunkt. Loach kreuzt seinen sozialen Impetus mit einem Happy-Go-Lucky Charme und führt seinen Zuschauer auf die Eisbahn. Angie ist ein fesches Blondinchen, dass nicht nur attraktiv, sondern auch bodenständig und abgehärtet ist, eine Macherin, lebenslustig, sympathisch, liebenswürdig. Angie gerät aber in die soziale Wirklichkeit. Und die hat es in sich. Die ersten Risse werden deutlich als man bemerkt, was für eine lausige Mutter sie für ihren Sohn ist. Die alltäglichen Situationen in die sie gerät, sind auf den ersten Blick normal, auf den zweiten offenbart sich aber eine knallharte Realität. Was machen mit den illegalen Asylanten? Wieviel Arschkriechen ist erlaubt beim Unternehmer, der für seine Firma billige Ausländer will, die ihr Maul halten? Wie die eigene Firma auf die Beine stellen angesichts der Widrigkeiten? Woher dann auf einmal das Geld nehmen, das den Vermittelten zusteht?
Die ganz normalen Konflikte der Arbeitswelt verdichten sich zum physisch schmerzenden menschlichen Drama. Man spürt die soziale Kälte durch die Leinwand nur zu gut, und das trotz unserer doch zu freudeversprühenden Protagonistin. Auch ein filmisch intensivierter Charakter muss mit den sozialen Umständen klar kommen. Dass dies nicht immer so rosig aussieht wie im durchschnittlichen Kino, davon erzählt It's a Free World. Von einer ehrlichen, erschütternderen Welt. Von einer Alltäglichen.
Montag, 27. Oktober 2008
Blindness
Fernando Mereilles, Kanada/Brasilien/Japan 2008
Anarchie ist ein Zustand auf den die Welt noch wartet. Eine noch nicht durchgeführte Ideologie. Wobei: Zeigt die Finanzkrise nicht gerade an, dass es da einen Zwischenraum für Anarchie gab und gibt? Dummerweise einen weltumfassenden, lebensbestimmenden?
Was nun passieren würde, wenn eine amerikanische Großstadt von heute auf morgen in den Anarchozustand geraten täte, zeigt die Verfilmung von José Smaragos Romanvorlage Blindness. Alle Menschen infizieren sich und werden blind, Quarantänestationen werden eingerichtet und Gruppen rotten sich zusammen. Was auf der Strecke bleibt bei dem Spass ist die Menschlichkeit.
Tatsächlich fokussiert sich der Film auf die sich ergebenden Sozialdynamiken. Arschlöcher übernehmen das Ruder, es kommt im hermetisch abgeschlossenen Trakt zu Unterdrückung, Vergewaltigungen, Progromen, Mord. Auch die Politik ist überfordert und weiß sich außer mit dem Wegschließen der Kranken auch nicht zu behelfen. Hurtig einberufene Kongresse zur Problemlösung bringen soviel wie die Klima-Gipfeltreffen der Realität. Die betroffenen Menschen schwimmen währenddessen in ihrer eigenen Scheiße.
Amerika holt sich die menschlichen Katastrophen ins Haus, so sieht es zumindest aus. Bei vollkommener Orientierungslosigkeit zerfällt der Mensch ohne seinen wichtigsten Sinn. Das wäre die weiter gefasste Idee. In jedem Fall bietet Blindness neben seiner perfekt zugeschnittenen Optik eine ganze Menge Diskursfläche, protzt durch das Milchglas zwar hochtrabend emotional, ist aber dennoch aufs Detail der Dystopie schielend.
Anarchie ist ein Zustand auf den die Welt noch wartet. Eine noch nicht durchgeführte Ideologie. Wobei: Zeigt die Finanzkrise nicht gerade an, dass es da einen Zwischenraum für Anarchie gab und gibt? Dummerweise einen weltumfassenden, lebensbestimmenden?
Was nun passieren würde, wenn eine amerikanische Großstadt von heute auf morgen in den Anarchozustand geraten täte, zeigt die Verfilmung von José Smaragos Romanvorlage Blindness. Alle Menschen infizieren sich und werden blind, Quarantänestationen werden eingerichtet und Gruppen rotten sich zusammen. Was auf der Strecke bleibt bei dem Spass ist die Menschlichkeit.
Tatsächlich fokussiert sich der Film auf die sich ergebenden Sozialdynamiken. Arschlöcher übernehmen das Ruder, es kommt im hermetisch abgeschlossenen Trakt zu Unterdrückung, Vergewaltigungen, Progromen, Mord. Auch die Politik ist überfordert und weiß sich außer mit dem Wegschließen der Kranken auch nicht zu behelfen. Hurtig einberufene Kongresse zur Problemlösung bringen soviel wie die Klima-Gipfeltreffen der Realität. Die betroffenen Menschen schwimmen währenddessen in ihrer eigenen Scheiße.
Amerika holt sich die menschlichen Katastrophen ins Haus, so sieht es zumindest aus. Bei vollkommener Orientierungslosigkeit zerfällt der Mensch ohne seinen wichtigsten Sinn. Das wäre die weiter gefasste Idee. In jedem Fall bietet Blindness neben seiner perfekt zugeschnittenen Optik eine ganze Menge Diskursfläche, protzt durch das Milchglas zwar hochtrabend emotional, ist aber dennoch aufs Detail der Dystopie schielend.
Mittwoch, 22. Oktober 2008
Filmfest Hamburg 2008 # 7
Ein gern gesehenes Bild heutzutage und wohl auf ewig sind die sich streitenden Studenten. Der Eine tritt vehement für den Sozialismus, der Andere für die Anarchie ein. Wenn's dicke kommt, mag da sogar noch ein Jura-Gelhaar mit bei sein, der den Neoliberaismus großspurig verteidigt.
Mancherorts gibt's keine Diskussionen mehr, sondern derlei gelebte, praktizierte Ideologie. Ein Kind wie Johnny Mad Dog beispielweise schlägt sich nicht argumentativ, sondern nur schreiend und wild polternd durch das Gebüsch. Jean-Stéphane Sauvaire liberianischer Kindersoldatenfilm war bereits ausverkauft und ich dachte mir "Nicht so schlimm, ist wahrscheinlich eh wieder nur die jährliche gutmenschliche Geste des Festivals, qualitätsarm und unangemessen." Und doch schlüpfte ich noch auf die letzte Sekunde hinein und durfte mehr als überrascht sein. Der belgisch-französisch cofinanzierte Kriegsfilm ist beinahe ein Genrefilm, ein formal-ästhetisches Gebilde mit durchdachter Basis. Der Film klebt 100 Minuten an seinen kindlichen Protagonisten, schmeißt uns ins Kriegsgebiet, hetzt von einer Grausamkeit zur nächsten. Keine Effekte, einfach die Wahrheit. Keine Vernarrativierung wie der letztjährige Ezra, sondern ein Lebensstrang, den wir entlang hangeln müssen. 100 Minuten Geschrei, sehr viel Geschrei, Schlachtrufe, Kriegsgesänge, Blut, Hinrichtung, Drogenrausch, Demütigung, Animalisches, die Lust an der puren Unterdrückung. Ein Kriegsfilm, aber nochmals sei betont keiner, der nur den Affekt des Zuschauers im Blick hat, sondern vor allem sein Sujet und dessen Rest menschlichen Antlitz, den man doch so vergeblich sucht. Einsicht oder Rationalität sind ferner als alles andere, hier zählt nur noch der Moment des dauerhaften Ausnahmezustands. Eine andere Welt? Unsere Welt!
Sauvaire ist da etwas gelungen, was sich leicht beschreiben lässt. Die Hölle stellt man eben als Hölle da. Ist das so schwer? Wenn man Publikumszugeständnisse braucht sicherlich. Hier aber darf's gerne Terror sein. Einer, der uns Voyeuren keinen Spass mehr macht.
Das Festival rettet sich also dank der letzten 2 - 3 Abende zu einem äußerst bekömmlichen Zusammenschnitt. Viel Herausragendes, sehr viel Gutes gesehen. Danke dafür.
Und dann sind da aber auch noch Filme, die einem nicht mal für den Augenblick im Kopf bleiben. Acné etwa, Federico Veirojs uruguayanisch-argentinisches Coming-of-Age-Komödchen. Oder Daniel Alfredsons Wolf - der schwedische Blockbuster-Import aus skandinavischen Familien-Kinos eingeflogen. Immerhin vom Bruder des Alfredson Tomas und mit Peter Stormare. Naja. Schneegestöber.
Fast darunter gefallen wäre angesichts der ins Gesicht gähnenden Festivalmüdigkeit an solch einem letzten Tag auch der spanische The Best of Me. Man kennt die Geschichte von Susa Bier oder eben aus spanischem Qualitätskino: Frau stark, Mann schwach, Unsicherheiten, Liebe, Seitensprung, Krankheit, Abhängigkeit. Gute gemacht wie immer, aber langsam eine Spur zu bekannt.
Oder aktuell nochmal ganz was Furchtbares: Ocean Flame von Fendou Liu, China. Extrovertiertes Kunstkino, bei dem der Mann der brutale Zuhälter-Schläger ist und die Frau ihn hasst und ihm verfällt. Beide lieben sich und alles ist ja so unendlich tragisch im noch unendlicheren Chic des asiatischen Urbanlichtermeers. Unsere Freunde von der imdb sagen: "Why do the good girls always want the bad boys?" Genau das interessiert mich nicht und ich will's auch nicht auf Hochglanz poliert im Kino sehen. Noch ein Satz mehr und ich werd ausfällig.
Und dann schlussendlich gebe ich mich versöhnlich. Mein Abschlussfilm des Festivals ist "The Movie" zu einer in Chile äußerst erfolgreichen Puppenanimation für Erwachsene. 31 Minutos heißt die Heiterkeit, in der hässlich zusammengeflickte Puppen die Fernsehlandschaft und dann auch das Böse der Welt erkunden müssen. Satirisch ist das Ganze, wenn auch nicht übermäßig frech oder schwarzhumorig. Als Abschlussbrause aber durchaus okay, denn so ein verschmitztes Lächeln nach der Kohlensäure hat doch was.
Mancherorts gibt's keine Diskussionen mehr, sondern derlei gelebte, praktizierte Ideologie. Ein Kind wie Johnny Mad Dog beispielweise schlägt sich nicht argumentativ, sondern nur schreiend und wild polternd durch das Gebüsch. Jean-Stéphane Sauvaire liberianischer Kindersoldatenfilm war bereits ausverkauft und ich dachte mir "Nicht so schlimm, ist wahrscheinlich eh wieder nur die jährliche gutmenschliche Geste des Festivals, qualitätsarm und unangemessen." Und doch schlüpfte ich noch auf die letzte Sekunde hinein und durfte mehr als überrascht sein. Der belgisch-französisch cofinanzierte Kriegsfilm ist beinahe ein Genrefilm, ein formal-ästhetisches Gebilde mit durchdachter Basis. Der Film klebt 100 Minuten an seinen kindlichen Protagonisten, schmeißt uns ins Kriegsgebiet, hetzt von einer Grausamkeit zur nächsten. Keine Effekte, einfach die Wahrheit. Keine Vernarrativierung wie der letztjährige Ezra, sondern ein Lebensstrang, den wir entlang hangeln müssen. 100 Minuten Geschrei, sehr viel Geschrei, Schlachtrufe, Kriegsgesänge, Blut, Hinrichtung, Drogenrausch, Demütigung, Animalisches, die Lust an der puren Unterdrückung. Ein Kriegsfilm, aber nochmals sei betont keiner, der nur den Affekt des Zuschauers im Blick hat, sondern vor allem sein Sujet und dessen Rest menschlichen Antlitz, den man doch so vergeblich sucht. Einsicht oder Rationalität sind ferner als alles andere, hier zählt nur noch der Moment des dauerhaften Ausnahmezustands. Eine andere Welt? Unsere Welt!
Sauvaire ist da etwas gelungen, was sich leicht beschreiben lässt. Die Hölle stellt man eben als Hölle da. Ist das so schwer? Wenn man Publikumszugeständnisse braucht sicherlich. Hier aber darf's gerne Terror sein. Einer, der uns Voyeuren keinen Spass mehr macht.
Das Festival rettet sich also dank der letzten 2 - 3 Abende zu einem äußerst bekömmlichen Zusammenschnitt. Viel Herausragendes, sehr viel Gutes gesehen. Danke dafür.
Und dann sind da aber auch noch Filme, die einem nicht mal für den Augenblick im Kopf bleiben. Acné etwa, Federico Veirojs uruguayanisch-argentinisches Coming-of-Age-Komödchen. Oder Daniel Alfredsons Wolf - der schwedische Blockbuster-Import aus skandinavischen Familien-Kinos eingeflogen. Immerhin vom Bruder des Alfredson Tomas und mit Peter Stormare. Naja. Schneegestöber.
Fast darunter gefallen wäre angesichts der ins Gesicht gähnenden Festivalmüdigkeit an solch einem letzten Tag auch der spanische The Best of Me. Man kennt die Geschichte von Susa Bier oder eben aus spanischem Qualitätskino: Frau stark, Mann schwach, Unsicherheiten, Liebe, Seitensprung, Krankheit, Abhängigkeit. Gute gemacht wie immer, aber langsam eine Spur zu bekannt.
Oder aktuell nochmal ganz was Furchtbares: Ocean Flame von Fendou Liu, China. Extrovertiertes Kunstkino, bei dem der Mann der brutale Zuhälter-Schläger ist und die Frau ihn hasst und ihm verfällt. Beide lieben sich und alles ist ja so unendlich tragisch im noch unendlicheren Chic des asiatischen Urbanlichtermeers. Unsere Freunde von der imdb sagen: "Why do the good girls always want the bad boys?" Genau das interessiert mich nicht und ich will's auch nicht auf Hochglanz poliert im Kino sehen. Noch ein Satz mehr und ich werd ausfällig.
Und dann schlussendlich gebe ich mich versöhnlich. Mein Abschlussfilm des Festivals ist "The Movie" zu einer in Chile äußerst erfolgreichen Puppenanimation für Erwachsene. 31 Minutos heißt die Heiterkeit, in der hässlich zusammengeflickte Puppen die Fernsehlandschaft und dann auch das Böse der Welt erkunden müssen. Satirisch ist das Ganze, wenn auch nicht übermäßig frech oder schwarzhumorig. Als Abschlussbrause aber durchaus okay, denn so ein verschmitztes Lächeln nach der Kohlensäure hat doch was.
Dienstag, 21. Oktober 2008
Der Jörg Haider ist, Entschuldigung, war ein Illusionist, der eine ganze Region Österreichs mit seiner übermenschlichen Aura verzaubert hat. Sogar die Jungs. Edward Norton spielt nun in The Illusionist einen durchaus sensibler konnotierten Magier, der mit seinen Zaubershows niemanden etwas Böses will. Und doch strebt er nach und nach und insgeheim den Machtsturz des Despoten Österreichs an (Hoppala, nu schlägts aber Haider!). Der hat die ihm vom Schicksal zugestandene Frau (die alte himmlische 7th Heaven Hupfdule Jessica Biel) geklaut und ermordet sie dann auch noch im eifersüchtigen Wahn. Jetzt wird The Illusionist sogar mal spannend. Leider nur für einen kurzen Augenblick. Denn Magier Norton erweckt seine Liebste auf der Bühne als zarten Windhauch kurzzeitig zum Leben. Die Abhandlung über Tod, Trauer und Zwischenwelten bleibt aber dann doch aus, und der Mystery-Krimi zieht seine gewohnten Kreise. Noch zu erwähnen: Paul Giamatti als einzige halbwegs mehrdimensionale Figur, der die altbekannte Wandlung vom untergebenen Dienstleistungsausführer des Kronprinzen und Hobbymagier zum Gerechtigkeit waltenden Organ durchmacht.
Noch ein Stückchen behäbiger und gemächlicher geht es in Paul Schraders Eierschaukler The Walker zu. Woody Harrelson spielt einen Mann, der ältere Frauen der High Society begleitet. Warum er das kann? Weil er ein richtig schön schwuler Schwuler ist. Irgendwann nutzen ihn die Damen in einem recht unspektakulären Krimiplot dann aber doch aus, und Schrader - das wird schnell klar - geht's hier um den tiefen Fall einer Person, die zuvor aufrechter im Leben stand, als Dolly Busters Nippel in den 90ern.
Oi! Oi Oi! Tim Roth zieht eine beängstigende Fresse wie ein wildgewordener Köter in Alan Clarkes Made in Britain, in welchem diverse Sozialpädagogen 70 Minuten lang versuchen dem notorisch zerstörungswütigen Roth die Flausen auszutreiben. Höhepunkt bildet ein 10 minütiger Monolog eines der es doch nur gut meinenden Beamten, der dem teuflisch dreingrinsenden Roth in lakonischer Manier vor Augen führt, wie sein weiteres Leben verlaufen wird, wenn er seine hakenkreuztätowierte Glatze nicht klar bekommt. Der 16-Jährige macht weiter und landet in den letzten 3 Minuten des Films tatsächlich im Knast. Ein kurzer Schlag mit dem Gummiknüppel verdeutlicht dem angry young man die Situation - zwischen kindlicher Angst und tobendem Hass erstarrt Roths Gesicht in der letzten Einstellung.
Noch ein Stückchen behäbiger und gemächlicher geht es in Paul Schraders Eierschaukler The Walker zu. Woody Harrelson spielt einen Mann, der ältere Frauen der High Society begleitet. Warum er das kann? Weil er ein richtig schön schwuler Schwuler ist. Irgendwann nutzen ihn die Damen in einem recht unspektakulären Krimiplot dann aber doch aus, und Schrader - das wird schnell klar - geht's hier um den tiefen Fall einer Person, die zuvor aufrechter im Leben stand, als Dolly Busters Nippel in den 90ern.
Oi! Oi Oi! Tim Roth zieht eine beängstigende Fresse wie ein wildgewordener Köter in Alan Clarkes Made in Britain, in welchem diverse Sozialpädagogen 70 Minuten lang versuchen dem notorisch zerstörungswütigen Roth die Flausen auszutreiben. Höhepunkt bildet ein 10 minütiger Monolog eines der es doch nur gut meinenden Beamten, der dem teuflisch dreingrinsenden Roth in lakonischer Manier vor Augen führt, wie sein weiteres Leben verlaufen wird, wenn er seine hakenkreuztätowierte Glatze nicht klar bekommt. Der 16-Jährige macht weiter und landet in den letzten 3 Minuten des Films tatsächlich im Knast. Ein kurzer Schlag mit dem Gummiknüppel verdeutlicht dem angry young man die Situation - zwischen kindlicher Angst und tobendem Hass erstarrt Roths Gesicht in der letzten Einstellung.
Montag, 6. Oktober 2008
Filmfest Hamburg 2008 # 6
So ein Festival hat ja stets das Problem zwischen den Stühlen zu sitzen. Filmkunst wird erwartet, Unterhaltung ebenfalls. Und was ist mit Genrefilmen? Viele Kinoabsitzer haben bis heute nicht verstanden, dass sich anspruchsvolle Qualität und wiederkehrende Handlungs- und Motivreihen nicht ausschließen müssen. Beim Filmfest Hamburg hat man dann noch die TV-Produktionen, die nichts von alledem erfüllen können, aber dennoch ihre "Berechtigung" dadurch erlangen, so auch den roten Teppich füllen zu können, der sonst nur verstauben bzw zur Bewahrung vor den Peinlichkeiten gar nicht erst ausgerollt werden würde. Wer dann darüber schreitet und das Blitzlicht auf sich konzentrieren darf, darüber soll hier lieber Stillschweigen gewahrt werden. Wir wollen ja nicht dem Filmfest zu Nahe treten. Und keine Gerichtsvorladung bekommen.
Einer der wenigen Filme, die vom Papier her sowohl den künstlerischen Gedanken, als auch Genrekonventionen erfüllen hätte können kam aus Thailand. The 8th Day von Chadchai Yoodsaranee handelt von dem Verschwinden eines Mädchens vom Spielplatz. Die schlaue Lösung, das geografisch naheliegendste Haus zu durchsuchen, wird nicht angedacht, und so kann das geistig verwirrte, aber nach außen hin harmlos wirkende Großmütterchen das Kind tagelang gefangen halten. Wir wissen das, weil auch unser Protagonist - ein Medizinstudent - das weiß. Und beobachtet, für seine Abschluss-Thesis. Das hört sich doch alles ganz fesch an, denkt man sich, und die Ausgangssituation würde sicherlich auch Fläche genug bieten, um daraus was Feines zu basteln. Allein es fehlt an weiterführenden Ideen. Die Prämisse wird 90 Minuten lang durchgespielt ohne wirklich voranzuschreiten. Die Auflösung ist banal, und dass der Film in schwarz-weiß gedreht wurde erfüllt nun nicht gerade im Alleingang den Kunstaspekt. Enttäuschung quer durch die Stuhlreihen.
Viele Kanadier gab es dieses Jahr zu sehen, und wir sind noch nicht am Ende angelangt. Der Preis für das beste Erstlings-Ahornblatt beim Toronto Filmfest ging dieses Jahr an Continental, a Film without Guns von Stéphane Lafleur. Hat man den Film gesehen weiß man warum. Lakonische Abrisse und ineinanderfassende Geschichten dominieren den distanziert-unterkühlten Schelm, sowas kommt gut an, frag mal den Kaurismäki, nur hat der mehr Charme.
Centerpiece
Kommen wir zum wichtigen Teil des Abends. Auf Kiyoshi Kurosawas neusten Streich freute ich mich insgeheim am Meisten, denn nach meinem Einstand in sein Oevre mit Pulse scheint er einer der spannensten Regisseure unserer Zeitepoche zu sein. Nun, mit Tokyo Sonata legt er ein für ihn ungewöhnliches Drama vor, dass sich weiteren Genreklassifizierungen in seiner Breitfächrigkeit zunächst einmal verschließt und damit festivalgeeignet genug scheint. Wir beginnen mit einer Familie, deren Vater arbeitslos wird. Da dies in unserer Gesellschaft mit dem kühlen Blick fürs Wesentliche (Geld und Status), und der Japanischen im Speziellen, nicht so gern gesehen ist, spielt er seiner Familie vor, alles sei in Ordnung. Bei der Essensausgabe für Obdachlose lernt er einen weiteren gescheiterten Mann in Anzug und Krawatte kennen und beide freunden sich an. Unser Familienoberhaupt lässt sich - zur Wahrung der Identität seines neuen Freundes - dann auch mal zum Abendessen einladen, damit dessen Familie sieht: Alles super, auch die Arbeitskollegen kommen mal vorbei. Wenig später streift unser Papa am Haus des Kumpanen vorbei, und muss mit Erschrecken von der Haushälterin erfahren: Der Mann hat sich und seine Familie im Schlaf vergast...
Soweit, so gesellschaftkritisch. Die Gesellschaftssatire, die Kurosawa hier aufbaut fühlt sich im ersten Drittel wie eine beißende Kritik an einer kapitalistischen Normung an, bitter, kalt und nicht im entferntesten witzig. Doch die Absurdität der Situation macht es möglich, die Tragik mit trockenem Humor zu begegnen. Die Leichtigkeit, die sich trotz des Schocks beim Zuschauer einstellt, ist entfesselnd, atemberaubend und wunderschön.
Wir sind wie gesagt immer noch nicht bei der Hälfte angekommen, als die Mutter des Hauses zum ersten Mal die Bühne - Kurosawa, das wird gegen Ende ganz deutlich, rekuriert stets aufs Theater und inszeniert seinen Film nicht weit weg davon - betritt und spitz kriegt, dass ihr Mann wohl arbeitslos ist. Während dieser sich gegenüber seinen beiden Söhnen - unter dem Druck und Verlust seiner Autorität als Arbeitsloser - von nun an wie ein wild gewordener Patriarch aufführt, mildert seine Frau die Umstände ab - und entwickelt sich über die Lauflänge des Films hinweg vom stillen Mäuschen (wörtlich, von ihr ist am Anfang weder etwas zu hören, noch zu sehen) zum selbstbewussten, sich aus den Klammern befreienden Individuum. Auch den Söhnen werden ganz eigene, motivisch noch weit fassendere Geschichten auf den Leib gezimmert und somit baut Kurosawa seinen Film im Mittelteil zu einem Kaleidoskop einer Familientragik aus.
Was dann folgt - es wird noch vieles sein, eine gewisse "Vollgestopftheit" kann man dem Film wohl vorwerfen - formuliert das Drama noch weiter aus. Gegen Ende erlaubt sich Kurosawa seinem Werk einen Drall zu geben, der so weitreichende Konsequenzen beinhaltet um Tokyo Sonata berechtigterweise als existenzialistisches Drama bezeichnen zu können. Bergman schaut herein, der olle Namensvetter aus dem eigenen Lande ebenfalls. Manche Szenen sind pures Theater, gestelzt und doch so lebendig. Im Schlussbild hören wir ein Klavierkonzert des jüngsten Sohnes. Die Eltern weinen. Die Fachkundigen versammeln sich vor Erstaunung über das Talent des Jungen. Das komplette Stück wird ausgespielt, einen Moment Ruhe, der Junge und seine Eltern gehen an der Kamera direkt vorbei und die Zuschauer bestaunen: Uns. Die Zuschauer. Abspann, in welchem aus den Boxen die gleichen Laute wie aus dem Saal kommen - wir verlassen diesen Ort.
Neben diesem augenzwinkernden, intelligenten Schlussbild weist das Werk - das im Übrigen als einziger Film ohne Gäste auf dem ganzen Festival Applaus bekam (bei halbgefülltem Kino) - so viele erstaunliche Merkmale auf, dass ich versucht bin hier das böse Wort mit M zu verwenden. Bei der Zweitsichtung vielleicht. Wahrscheinlich.
Der langgezogene Höhepunkt
Nach so einer Bombe hat es der nächste Film bekanntlich schwer, und so stürzte ich ohne grosse Erwartungen ins Kino nebenan um mir Thomas McCarthys (The Station Agent) neue Tragikomödie The Visitor anzuschauen. "Von den Produzenten von Sideways" stand da noch auf dem Plakat an der Eingangstür des Kinos und ich dachte mir schon "Na dann man tau Jungs...".
Der Film erst einmal unaufgeregt. Keine Spirenzchen, keine blöden Gags, keine Anbiederungen ans Publikum. Gefiel mir. Und wurde dann sogar richtig gut.
Der New Yorker Professor Walter Vale (Richard Jenkins) reist in seine Zweitwohnung im Big Apple und findet dort ein illegal eingemietetes Pärchen aus Afrika vor. Der Syrer Tarek (Haaz Sleiman) und die Senegalesin Zainab (Danai Jekesai Gurira) ziehen sich freundlich und dankbar zurück, doch der unterkühlte, stets mit besorgter Mine versehene Prof fasst sich ein Herz und bietet ihnen an noch ein paar Tage zu bleiben, bis eine neue Bleibe gefunden ist. Er freundet sich mit dem lebensfreudigen Tarek an und legt gar seine Verkrampftheit ab um Trommeln vom jungen Wirbelwind zu lernen. Nachdem der unbedarfte Tarek in der U-Bahn überprüft und von der Einwanderungsbehörde festgenommen wird, kommt heraus, dass unser Pärchen nicht nur rechtswidrig gewohnt, sondern auch illegal im Land ist. Da auch Zainab und Tareks Mutter Mouna (Hiam Abbass) - die auf der Suche nach ihm beim Professor unter- und später diesem auch näherkommt - dank eigener Illegalität nicht mit ihm reden können, ist Vale der Einzige, der vermitteln und kommunizieren kann. Der einst so leblos wirkende Griesgram verstrickt sich in eine emotional heikle Geschichte...
McCarthys Film ist vor allem deswegen so gut, weil er - wie alle starken Exemplare der New Sincerity Welle - sich selbst zurücknimmt und seine Figuren und Schauspieler reden und agieren lässt. Letztes Jahr beim Filmfest gab es bereits exakt das gleiche Phänomen mit dem mich ebenfalls aus den Schuhen gehauen habenden The Savages. Man spürt die Spielfreude, die Freiheiten, die der Film ihnen gibt, die Natürlichkeit des Ausdrucks. Keine falsche political correctness, die sich bei dem Thema doch so anbieten würde, keine Suche nach Pointen oder Momenten der unreflektierten Überwaltigung. Die Geschichte ist traurig genug, bei einem ehrlichen Umgang mit den Figuren funktioniert sie ohne dramaturgische Fitzchen. Auch keine falschen Moralspiele. Das Plädoyer gegen die Einwanderungspolitik der westlichen Industriestaaten versteht sich ohne Belehrungen abzugeben als leises, schnörkelloses Drama. Eines der Intensivsten des Jahres.
Einer der wenigen Filme, die vom Papier her sowohl den künstlerischen Gedanken, als auch Genrekonventionen erfüllen hätte können kam aus Thailand. The 8th Day von Chadchai Yoodsaranee handelt von dem Verschwinden eines Mädchens vom Spielplatz. Die schlaue Lösung, das geografisch naheliegendste Haus zu durchsuchen, wird nicht angedacht, und so kann das geistig verwirrte, aber nach außen hin harmlos wirkende Großmütterchen das Kind tagelang gefangen halten. Wir wissen das, weil auch unser Protagonist - ein Medizinstudent - das weiß. Und beobachtet, für seine Abschluss-Thesis. Das hört sich doch alles ganz fesch an, denkt man sich, und die Ausgangssituation würde sicherlich auch Fläche genug bieten, um daraus was Feines zu basteln. Allein es fehlt an weiterführenden Ideen. Die Prämisse wird 90 Minuten lang durchgespielt ohne wirklich voranzuschreiten. Die Auflösung ist banal, und dass der Film in schwarz-weiß gedreht wurde erfüllt nun nicht gerade im Alleingang den Kunstaspekt. Enttäuschung quer durch die Stuhlreihen.
Viele Kanadier gab es dieses Jahr zu sehen, und wir sind noch nicht am Ende angelangt. Der Preis für das beste Erstlings-Ahornblatt beim Toronto Filmfest ging dieses Jahr an Continental, a Film without Guns von Stéphane Lafleur. Hat man den Film gesehen weiß man warum. Lakonische Abrisse und ineinanderfassende Geschichten dominieren den distanziert-unterkühlten Schelm, sowas kommt gut an, frag mal den Kaurismäki, nur hat der mehr Charme.
Centerpiece
Kommen wir zum wichtigen Teil des Abends. Auf Kiyoshi Kurosawas neusten Streich freute ich mich insgeheim am Meisten, denn nach meinem Einstand in sein Oevre mit Pulse scheint er einer der spannensten Regisseure unserer Zeitepoche zu sein. Nun, mit Tokyo Sonata legt er ein für ihn ungewöhnliches Drama vor, dass sich weiteren Genreklassifizierungen in seiner Breitfächrigkeit zunächst einmal verschließt und damit festivalgeeignet genug scheint. Wir beginnen mit einer Familie, deren Vater arbeitslos wird. Da dies in unserer Gesellschaft mit dem kühlen Blick fürs Wesentliche (Geld und Status), und der Japanischen im Speziellen, nicht so gern gesehen ist, spielt er seiner Familie vor, alles sei in Ordnung. Bei der Essensausgabe für Obdachlose lernt er einen weiteren gescheiterten Mann in Anzug und Krawatte kennen und beide freunden sich an. Unser Familienoberhaupt lässt sich - zur Wahrung der Identität seines neuen Freundes - dann auch mal zum Abendessen einladen, damit dessen Familie sieht: Alles super, auch die Arbeitskollegen kommen mal vorbei. Wenig später streift unser Papa am Haus des Kumpanen vorbei, und muss mit Erschrecken von der Haushälterin erfahren: Der Mann hat sich und seine Familie im Schlaf vergast...
Soweit, so gesellschaftkritisch. Die Gesellschaftssatire, die Kurosawa hier aufbaut fühlt sich im ersten Drittel wie eine beißende Kritik an einer kapitalistischen Normung an, bitter, kalt und nicht im entferntesten witzig. Doch die Absurdität der Situation macht es möglich, die Tragik mit trockenem Humor zu begegnen. Die Leichtigkeit, die sich trotz des Schocks beim Zuschauer einstellt, ist entfesselnd, atemberaubend und wunderschön.
Wir sind wie gesagt immer noch nicht bei der Hälfte angekommen, als die Mutter des Hauses zum ersten Mal die Bühne - Kurosawa, das wird gegen Ende ganz deutlich, rekuriert stets aufs Theater und inszeniert seinen Film nicht weit weg davon - betritt und spitz kriegt, dass ihr Mann wohl arbeitslos ist. Während dieser sich gegenüber seinen beiden Söhnen - unter dem Druck und Verlust seiner Autorität als Arbeitsloser - von nun an wie ein wild gewordener Patriarch aufführt, mildert seine Frau die Umstände ab - und entwickelt sich über die Lauflänge des Films hinweg vom stillen Mäuschen (wörtlich, von ihr ist am Anfang weder etwas zu hören, noch zu sehen) zum selbstbewussten, sich aus den Klammern befreienden Individuum. Auch den Söhnen werden ganz eigene, motivisch noch weit fassendere Geschichten auf den Leib gezimmert und somit baut Kurosawa seinen Film im Mittelteil zu einem Kaleidoskop einer Familientragik aus.
Was dann folgt - es wird noch vieles sein, eine gewisse "Vollgestopftheit" kann man dem Film wohl vorwerfen - formuliert das Drama noch weiter aus. Gegen Ende erlaubt sich Kurosawa seinem Werk einen Drall zu geben, der so weitreichende Konsequenzen beinhaltet um Tokyo Sonata berechtigterweise als existenzialistisches Drama bezeichnen zu können. Bergman schaut herein, der olle Namensvetter aus dem eigenen Lande ebenfalls. Manche Szenen sind pures Theater, gestelzt und doch so lebendig. Im Schlussbild hören wir ein Klavierkonzert des jüngsten Sohnes. Die Eltern weinen. Die Fachkundigen versammeln sich vor Erstaunung über das Talent des Jungen. Das komplette Stück wird ausgespielt, einen Moment Ruhe, der Junge und seine Eltern gehen an der Kamera direkt vorbei und die Zuschauer bestaunen: Uns. Die Zuschauer. Abspann, in welchem aus den Boxen die gleichen Laute wie aus dem Saal kommen - wir verlassen diesen Ort.
Neben diesem augenzwinkernden, intelligenten Schlussbild weist das Werk - das im Übrigen als einziger Film ohne Gäste auf dem ganzen Festival Applaus bekam (bei halbgefülltem Kino) - so viele erstaunliche Merkmale auf, dass ich versucht bin hier das böse Wort mit M zu verwenden. Bei der Zweitsichtung vielleicht. Wahrscheinlich.
Der langgezogene Höhepunkt
Nach so einer Bombe hat es der nächste Film bekanntlich schwer, und so stürzte ich ohne grosse Erwartungen ins Kino nebenan um mir Thomas McCarthys (The Station Agent) neue Tragikomödie The Visitor anzuschauen. "Von den Produzenten von Sideways" stand da noch auf dem Plakat an der Eingangstür des Kinos und ich dachte mir schon "Na dann man tau Jungs...".
Der Film erst einmal unaufgeregt. Keine Spirenzchen, keine blöden Gags, keine Anbiederungen ans Publikum. Gefiel mir. Und wurde dann sogar richtig gut.
Der New Yorker Professor Walter Vale (Richard Jenkins) reist in seine Zweitwohnung im Big Apple und findet dort ein illegal eingemietetes Pärchen aus Afrika vor. Der Syrer Tarek (Haaz Sleiman) und die Senegalesin Zainab (Danai Jekesai Gurira) ziehen sich freundlich und dankbar zurück, doch der unterkühlte, stets mit besorgter Mine versehene Prof fasst sich ein Herz und bietet ihnen an noch ein paar Tage zu bleiben, bis eine neue Bleibe gefunden ist. Er freundet sich mit dem lebensfreudigen Tarek an und legt gar seine Verkrampftheit ab um Trommeln vom jungen Wirbelwind zu lernen. Nachdem der unbedarfte Tarek in der U-Bahn überprüft und von der Einwanderungsbehörde festgenommen wird, kommt heraus, dass unser Pärchen nicht nur rechtswidrig gewohnt, sondern auch illegal im Land ist. Da auch Zainab und Tareks Mutter Mouna (Hiam Abbass) - die auf der Suche nach ihm beim Professor unter- und später diesem auch näherkommt - dank eigener Illegalität nicht mit ihm reden können, ist Vale der Einzige, der vermitteln und kommunizieren kann. Der einst so leblos wirkende Griesgram verstrickt sich in eine emotional heikle Geschichte...
McCarthys Film ist vor allem deswegen so gut, weil er - wie alle starken Exemplare der New Sincerity Welle - sich selbst zurücknimmt und seine Figuren und Schauspieler reden und agieren lässt. Letztes Jahr beim Filmfest gab es bereits exakt das gleiche Phänomen mit dem mich ebenfalls aus den Schuhen gehauen habenden The Savages. Man spürt die Spielfreude, die Freiheiten, die der Film ihnen gibt, die Natürlichkeit des Ausdrucks. Keine falsche political correctness, die sich bei dem Thema doch so anbieten würde, keine Suche nach Pointen oder Momenten der unreflektierten Überwaltigung. Die Geschichte ist traurig genug, bei einem ehrlichen Umgang mit den Figuren funktioniert sie ohne dramaturgische Fitzchen. Auch keine falschen Moralspiele. Das Plädoyer gegen die Einwanderungspolitik der westlichen Industriestaaten versteht sich ohne Belehrungen abzugeben als leises, schnörkelloses Drama. Eines der Intensivsten des Jahres.
The Dark Knight
Christopher Nolan 2008
Über welchen Film gilt es diesen Sommer/nun schon Herbst z-u-m-i-n-d-e-s-t zu schreiben? Derjenige über den der junge Mann zur jungen Frau - gerade aus der PV für ihren Baader Meinhof Komplex kommend - sagte: "Das ist ja der beste Film aller Zeiten. Ich fand den nicht so gut." Das kluge Bürschchen aber landete mit dem Spruch bei der Dame nicht, so wie es aussah. Die zuckte nur mit den Schultern. Naja, was soll man aber auch anderes machen, wenn man gerade Moritz Bleibtreu beim 150 minütigen "Scheiß Fotzen!" Geschreie zuhören musste?! (siehe Vorpost)
Über welchen Film gilt es diesen Sommer/nun schon Herbst z-u-m-i-n-d-e-s-t zu schreiben? Derjenige über den der junge Mann zur jungen Frau - gerade aus der PV für ihren Baader Meinhof Komplex kommend - sagte: "Das ist ja der beste Film aller Zeiten. Ich fand den nicht so gut." Das kluge Bürschchen aber landete mit dem Spruch bei der Dame nicht, so wie es aussah. Die zuckte nur mit den Schultern. Naja, was soll man aber auch anderes machen, wenn man gerade Moritz Bleibtreu beim 150 minütigen "Scheiß Fotzen!" Geschreie zuhören musste?! (siehe Vorpost)
Es handelt sich selbstverständlich um den "am Startwochenende hatte ich ne 9,8 auf der imdb, ätschbätsch" Blockbuster-Meteoriten-Einschlag The Dark Knight, Christopher Nolans zweiter Batman Streich. Der Joker - wer den verkörpert braucht nicht erwähnt zu werden - ist diesmal wieder an der Reihe und möchte Unruhe stiften. Spannend ist es über die Struktur des Films zu reden und was Ledger damit anstellt. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, wann ich es das letzte Mal erlebt habe, dass ein Schauspieler einen ganzen Film umkrempelt.
Fangen wir erstmal beim Material an, dass es umzubiegen gilt: The Dark Knight ist offenkundig ein zusammengeklaubtes, überquillendes Filmmonster, für das anscheinend schon einiges an Rohmaterial zur Verfügung stand, welches es herunterzucutten galt. Die allumfassende Story erlaubt es sich gar gegen Ende eine komplett neu kreierte Situation voller neuer Charakter zu etablieren (Die Schiffs-Bomben-Sequenz) oder wechselt nach dem Ausscheiden des einen Antagonisten einfach nochmal zum "Wurmfortsatz" der Geschichte und zeigt einen zweiten Endkampf auf dem Radar. Gut, im Gegensatz zum Baader Meinhof Debakel wissen die hiesigen Amis ihre 150 Minuten immerhin sinnvoller zu nutzen. Trotzdem reicht das nicht um ihre Geschichte auszuerzählen. Geschweige denn ein vernünftiges Filmkonstrukt auf die Beine zu stellen. Denn so funktioniert das einfach nicht. Die Figuren bleiben mit einer seltsamen Leere versehen, Ereignisse werden wie überstürzt unter abgehakt verbucht.
Was macht Ledger nun? Er spielt. Spielt einen abgefuckten, psychotischen, gerissenen Clown. Einen mit dem Leben abgeschlossen habenden, feisten, rache- oder doch nur spielsüchtigen Zyniker. Eine kaputte Seele, an deren Stelle nun eine verschmierte Maske folgt. Die Figur bietet sich an, um abzugehen. Ledger tut das und verleiht dem Stück eine unerwartete Frivolität, Leichtigkeit und Fiebrigkeit. Ledger allein tut das, und wenn man sich nun fragt, wieviel Anteil daran nun seine eigene Geschichte spielt - die sich hier als Metatext beispiellos einschreibt - kann man die Frage erstmal nur unbeantwortet lassen. Und muss doch auf die erschreckende Sequenz verweisen, als der Joker den Tod (in Form von Batman und seinem Batmobil) herausfordert und den schwarzen Ritter selbstmörderisch auf sich Zurasen lässt. Der Atem stockt. Der Film bewegt sich, ein fast totes Konstrukt beginnt zu leben.
Sonntag, 5. Oktober 2008
Der Baader Meinhof Komplex
Uli Edel, Deutschland 2008
Es geht ein Gespenst um in Filmdeutschland. Eines, das sich gut und gerne einmal im Jahr blicken lässt, seine PR-Maschine anschmeißt und für kurze Zeit "Buhu" und "Huiuiui" ruft. Das Gespenst weiß wie man die Knöpfe drückt, um den deutschen Nerv zu treffen. Um die Qualität seines ausgespienen Produkts muss es sich dabei keine Gedanken machen - Wer mit Hitler winkt, hat auch die abgerissenen Einlasskarten auf seinem Konto.
Der deutsche Film hat seit jeher seine Problemchen die aufreibende Zeit der 70er angemessen narrativieren zu können. DER BAADER MEINHOF KOMPLEX bringt dieses Problem nun vielleicht exakt auf den Punkt. 150 Minuten lang werden 10 Jahre Zeitgeschichte zusammengerafft ohne in irgend einer Weise an das Filmische zu denken. Man hüpft von Ort zu Ereignis, staffiert seine Figuren mit Banalitäten aus und hinterlässt ein belärmtes Schlachtfeld ohne irgendeinen Zugewinn an Austausch, Erkenntnissen oder Ästhetik zu summieren.
Statt dessen: Moritz Bleibtreu als Dorfanarcho, halbstarker Pre-Pop-Punk, cholerisches Allerlei. Sprich: Er selbst in seiner Rolle. Bleibtreu konnte noch nie etwas großartig Anderes spielen als den postpubertären Spinner, den manche sympathisch volksnah, andere aufgeblasen dümmlich nennen. Nach Til Schweiger Deutschlands schönstes Exportprodukt.
An den Nazi-Spass DER UNTERGANG kommt die RAF-Aufarbeitung freilich nicht heran. Trotz eines Bruno Ganz als weise, analytische Kompetenzbombe Horst Herold, bei dessen Darstellung selbstredend immer ein wenig der Führer durchschimmert, obwohl Herold hier ja praktisch die einzig positiv besetzte Figur des ganzen Stückes ist.
Ich würde jetzt auch noch gerne über Martina Gedeck und ihre furchteinflößend schlechte Darstellung der Meinhof schreiben oder das Verschleudern Nadja Uhls als Mohnhaupt, aber wir wollen den Film ja nun nicht als lebendige Madame Tussaud Ausstellung der linken Popkultur verkommen lassen. Ein bisschen mehr (weniger) hat er ja doch zu bieten. Z.B. die herrliche ikonografisierte Darstellung des Holger Meins im Knast (auch hier die gefühlten 5 Minuten die jeder Figur zugestanden werden - für Jesus reicht's aber noch). Moment. Das ist ja schon wieder Rekurrieren auf die Schauspieler. Aber was bleibt einem auch Anderes, wenn die Inszenierung sich an der Abarbeitung von historischen Plot Points aufhält, ohne überhaupt eine Dramaturgie zu entwickeln an der man sich orientieren könnte. 150 Minuten ohne roten Faden (kicher) muss man erstmal im Kopf zusammensetzen.
Muss man aber auch nicht. DER BAADER MEINHOF KOMPLEX ist nutzloses, vor allem auch seelenloses Collagenkino mit behauptetem Pep (daher schon auch Pop). Da gab es zwar schon Schlimmeres, mit Blick auf die Kommerzialisierungsstrategien ist diese Pseudo-Aufarbeitung aber doch schon ein gehöriges Ärgernis.
Filmfest Hamburg 2008 # 5
Ein Staunen ernte ich regelmäßig, wenn es wieder auf geht zum nächsten Filmfestival. Nun, das ist inzwischen 5 Mal im Jahr der Fall, also staunt meine Umgebung gewohnheitsgemäß häufig. Wie ich denn so viele Filme verarbeiten könne? Hintereinander weg! Wie ich denn den ganzen Inhalt behalten könne? Wie ich denn mit so wenig Schlaf auskäme? Tja, wenn die wüssten wie gut man in Kinosesseln schlafen kann und den Kinosaal als Traumvorkammer akzeptieren kann. Und das mit dem Verarbeiten? Da kommst du nun ins Spiel, liebes Filmtagebuch...
Bei aller Kritik, die meiner Cinedrogensucht von vielen Seiten entgegen gebracht wird, ein Argument bleibt einem doch immer noch: Den ganzen Tag Filme gucken ist immerhin besser als euer 9 to 5 Job! Der Protagonist aus Bill Plymptons neusten Streich Idiots and Angels wäre so einer, wenn er nicht wie der Titel besagt ein Idiot wäre. Nun ja, seinen täglichen Weg in die Alkikneipe könnten man allerdings irgendwie auch als 9 to 5 Tätigkeit verstehen. Irgendwann wachsen ihm Flügel, die er erstmal rabiat abrupft, doch irgendwann akzeptieren muss und menschliche Züge annimmt. Plymptons gesellschaftsbeißender Cartoon macht in seiner kurzweiligen Art Spass und lässt die "Spaßfilme" solch eines Festivals auch gerne mal auf der Strecke.
Einer von diesen wäre etwa Terribly Happy vom Dänen Henrik Ruben Genz. Nun ja, ein Spaßfilm ist das nicht direkt, aber einer der seine Kauzigkeit gerne in die Waagschale wirft und damit so eine Art Understatement-Humor etablieren möchte, wie man es die letzten Jahre bis zur Ermüdung aus Skandinavien typischerweise erleben musste. Diese Film-Schrulle handelt von einem City-Polizisten, der aufs misstrauische Dorf versetzt wird und dort den Dienst zwischen seltsamen und verschlossenen gestalten absitzen soll. Allein diese Synopsis verrät alles über den Film. Ein Konstrukt, dass zum Gähnen zwingt. Irgendwann erstickt er dann die Frau vom Dorfalki aus Versehen und der wird beschuldigt und blah blah blah. Am Ende erfreuen sich alle der kauzigen Schnoddrigkeit, mit der diese jederzeit berechenbare Genreware vom vereisten, skandinavischen Fließband seinen üblichen Weg geht. Dass der Film in Karlovy Vary den Hauptpreis gewonnen hat, lässt mich zum ersten Mal in meinem Leben ein Filmfest von der Liste der noch zu besuchenden Festivals herunterstreichen.
Besser an kam da schon der weitaus durchdachtere Däne Fear Me Not von Dogma-Veteran Kristian Levring. Ulrich Thomsen spielt einen Mann, der vom Familienvater zum Psychopathen mutiert durch - wie er glaubt - Medikamententests an denen er teilnimmt. Gut, das mutet schon seltsam an, dass Thomsen mit seiner Familie am vielleicht paradiesischsten Ort der Welt lebt (ein Riesenhaus mit Riesenfenstern am Riesensee mit Riesenwald) und doch an gefährlichen Pillenschluckereien für ein paar müde Mark teilnimmt. Der "Placebo-Witz", der hier schon herumgeisterte und den man auch nach durchlesen der Synopsis vorausahnen kann, ist für den eigentlichen Film so nichtig, dass auch ich ihn hier gerne vorwegnehme. Fear Me Not ist vielmehr bedächtiges, angenehmes Schauspielerkino auf recht hohem Niveau. Ein Film über die Abhängigkeiten, die eine Person gerade in seiner Hybris in seinem Umfeld schaffen kann. Durchaus keine Offenbarung, aber da hätte durchaus Schlimmeres um die Ecke schielen können.
Die Amis zum Beispiel. Die bewiesen am Abend meines fünften Filmtages leider nur Geschmacklosigkeit. Mit Sunshine Cleaning erdreistet sich der gezeigte Film nicht nur, schon im Pretext auf den Erfolf von Little Miss Sunshine aufspringen zu wollen, sondern formuliert dieses Vorhaben in all seinen wieder gewählten Mechanismen zu jeder Sekunde aus. Christine Jeffs bewies mit Rain bereits, dass sie nur Intuitionsfilmchen für postpubertäre Weibchen drehen kann und bekommt hier von den Sunshine-Produzenten (beide Filme) ein exaktes Konstrukt vorgesetzt. Alan Arkin ist wieder als Kauz mit dabei. Das kleine Mädchen wird diesmal von einem kleinen Jungen gespielt. Nur ein Vater fehlt. Dafür wird unmissverständlich klar gemacht: Lesben und Behinderte gehören auch in unsere Gesellschaft und dürfen angedeuteter Weise (!!) vielleicht (!) eventuell (?) auch mal geliebt werden. Das wird im Film aber nicht gemacht. Wäre ja auch schon wieder zu direkt. Hier reicht dann das Ausstellen der dysfunktionalen Familie, zu mehr Konventionsbrüchen ist solch ein kalkuliertes Schmunzeltränen-Kino nicht bereit.
Bei Morgan Spurlocks Where in the World is Osama Bin Laden? musste man schon vor Filmbeginn ein schlechtes Gewissen haben, konnte man doch schon erahnen, dass diesen Humbug wohl die allermeisten klar bei Verstand seienden meiden würden. Spurlock möchte sein Neugeborenes vor dieser bösen Welt schützen und macht sich deshalb auf die Suche nach dem Bösewicht der Bösewichter. Was er eigentlich macht sind aber lauwarme Scherze auf einer kleinen Urlaubsreise in den nahen und mittleren Osten. Das tatsächlich Interessanteste an Spurlocks Eskapaden sind die Reiseeindrücke, die man mit ihm gewinnen kann. Das tatsächlich Enervierendste an Spurlocks Juxereien ist Spurlock selbst. Als aufgeblasener Hampelmann im schlimmsten Raabschen Egomanentum umkreist er stets sich und seine all american family, welche mit den Kulturen abgeglichen wird und am Ende doch ernsthaft in einem pathethisch verkitschtem Schwall gefeiert wird. Das toppt nur noch Spurlock selbst mit seiner finalen Aussage/Einsicht, dass alle Menschen doch friedlich und nett miteinander auskommen sollten, weil es - oh, da schau her - ja überall auch freundlich gesonnene Wesen gibt. Überreicht doch dem Mann mal bitte einer den FIPRESCI-Preis. Am Besten Papst Bene.
Donnerstag, 2. Oktober 2008
Filmfest Hamburg 2008 # 4
Eröffnungs- und Abschlussfilme sind so eine Sache. Da das Filmfest Hamburg kein wirkliches Profil besitzt, und vor allem keinen richtigen Wettbewerb kann die Wahl dieser beiden Filmchen der Veranstaltung wenn schon kein Gesicht dann doch zumindest eine Maske geben. Als Opener wählt man nun regelmäßig deutsche Gebrauchsware, und hieß es erst noch der bestimmt ganz großartige Schnapschuss ins Techno-Submilieu Berlin Calling solle dies sein, änderte das Fest es noch zum nicht minder bemittelten Nordwand. Viel Spass dabei! Tradition verpflichtet. Auch Schlechte.
Der Abschlussfilm immerhin hörte sich zumindest auf dem Papier an als ob man dazu morgens um 10 sein Nickerchen fortsetzen kann, da man sich doch nicht allzu sehr über den Schmonzes auf der Leinwand aufregt. Eldorado handelt von 2 Männekens, die gemeinsam in die weite Welt ziehen, einer ein Griesgram mit weichem Herz, der andere eine bemitleidenswerter Drogie. Stilsicher wandelt der Film dann zwischen traurig sein machen und Schmunzeln so breit die Mundwinkel reichen. Nanu, sowas kennt man doch nur aus Skandinavien?! Nee, die Belgier können das auch ganz gut, und wenn das jetzt schon dort angekommen ist, könnte man dann nicht mal drüber nachdenken sich auch mal wieder an anderen, ehrlicheren Humor umzusehen? Wenn dieser Film ein Profil des Festivals umreißen soll, dann könnten man sich fast schämen hier Dauergast zu sein.
Ein ganz anderes Kaliber dann schon Adhen von Rabah Ameur-Zaïmeche. Der Algerier bringt den Arbeiterfilm zurück aufs Parkett, Marx würde sich da vielleicht freuen. Fragmentarisch erzählt das Werk von einer Schar nordafrikanischer Einwanderer in Frankreich, die sich in einer Paletten-Fabrik verdingen. Es geht um Religion und Arbeit, um Traditionen und Anpassung. Alles mündet in einen offenen Konflikt und Streik. Der Film ist eine Sitzprobe sondergleichen, bleibt ästhetisch naiv und simpel und entfaltet dadurch seine Kraft - wenn man nicht schon längst das Kino verlassen hat.
Spannender da schon, was Pablo Larrain in Tony Manero veranstaltet. Verrückt ist das, bekloppt, hanebüchen, unangenehm. Er schickt uns auf die Reise mit einem Unsympathen, John Travolta-Verehrer und Serienmörder. Letztgenannter Fakt ist ebenso im Nebenbei zu betrachten wie die Pinochet-Diktatur, die dort im Hintergrund rauscht. Denn das Ganze spielt im Chile der 70er Jahre. Da werden Menschen auch mal gefoltert und abgeführt. Das findet aber Off-screen statt, denn unsere Kamera interessiert sich nur für das Ekel Raoul. Der NebenAffekt bedeutet damit auch: Die Morde des Mannes, dessen Schweißperlen wir stets sehen können machen uns mehr zu schaffen als das gesellschaftliche Klima, das wir - wie er - nur partiell wahrnehmen. Ein dreckiger kleiner Film ist das, der bei mir noch Stunden nach der Sichtung für vollkommene Unschlüssigkeit sorgte. Inzwischen weiß ich: Diese Schweinerei gefällt mir. Und eine Zweitsichtung ist nötig.
Glanz und Glorie verbinden sich mit dem Namen Versailles - in Pierre Schöllers gleichnamigen Film sieht der europäische Edelort für gelangweilte Touristen auf einmal ganz düster, dreckig und grau aus. Er erzählt die Geschichte eines Kindes, das immer wieder aufs Neue verstoßen wird. Zunächst von der noch jungen Mutter im Stich gelassen, wächst es bei Aussteigern im Wald auf. Später dann kommt es in eine gutbürgerliche Familie, doch die Bindungsschäden sind inzwischen zu stark sichtbar. In Frankreich läuft etwas gewaltig schief mit dem sozialen Netz. Das verstoßene Kind darf - muss aber auch nicht - gerne sinnbildlich gesehen werden für die Schäden des Rechtsrucks, den die Bürger ertragen müssen. Der Film funktioniert auch deshalb so gut, weil alle Figuren glaubhaft vermittelt werden und die Narben ihrer eigenen Geschichte tragen.
Versailles ist auch deshalb ein schöner Film, weil er keine Künstlichkeit prätendiert. Das Hauptproblem eines der Centerpieces des Festivals - Nuri Bilge Ceylans Three Monkeys. Der Film beschaut sich die Auswirkungen eines Lügenkonstrukts. Ein Vater und Chauffeur für einen führenden Politiker geht für diesen in den Knast. In dieser Zeit vergnügt sich die Ehefrau mit dem selbstverliebten Mann, der die anstehende Wahl trotz der nicht herausgekommenen Affären haushoch verliert. Irgendwann bekommt der Sohn die Situation spitz, der Vater kommt aus dem Knast und die Lage eskaliert... Ceylans Film strotzt nur so vor Schwerfälligkeit in seinen getönten Bildern. Die schroffe Aura, die poetische Tragik in jedem transportierten Bild, die Wortlosigkeit, alles sorgt dafür, dass Three Monkeys lange Zeit ein intensives Filmerlebnis ist. Irgendwann aber wird der Zuschauer dem Gehabe überdrüssig. In Cannes schliefen die Hälfte der Kritiker während der Vorführung ein. Das ist auch kein Wunder, denn wer möchte sich schon 110 Minuten in dieser konstruierten Prätention ergehen? Ceylan macht durch sein Bestehen auf die bleierne Bedachtsamkeit auf die Überlänge erstreckt seinen Film und dessen Wirkung kaputt. Ein interessantes, aber unbefriedigendes Filmerlebnis.
Bliebe noch eine Runde Entspannung: Tokyo! umfasst drei ca 30 Minüter von drei uns bekannten Namen. Michael Gondry präsentiert uns in Interior Design einen Studentenfilm, jeder der mal in einer viel zu kleinen Butze bei Freunden untergekommen ist wird sich hier wiederfinden dürfen. Gondry inszeniert Tokyo wie es für kleines Geld eben aussieht. Enger Raum für junge Menschen. Leos Carax legt es da schon bunter und lauter an: In Merde lässt er ein koboldähnliches Wesen (Denis Lavant) auf die Japaner los, dass diese nicht ausstehen kann und terrorisiert. Carax Parabel auf Terrorismus, Fanboytum und Medien lässt sich kritisch an und erfreut sich des Bumors eines Jean-Pierre Jeunet. Kann also gar nicht so schlecht sein. Joon-ho Bong schaut am Ende noch mit seinem Märchen Shaking Tokyo in die Runde. Ein soziopathischer Einzelgänger und Zwangi schließt sich in seine Wohnung ein bis eines Tages eine Gleichgesinnte seine Denke durcheinanderwirbelt. Für den sympathischen Schnuckel gilt wie für viele Episodenwerke. Schön anzusehen, aber Druck und Erwartungen nicht zu hoch ansetzend eben auch nur verarbeitete Ideechen ohne Anspruch auf allzu große Seriösität.
Der Abschlussfilm immerhin hörte sich zumindest auf dem Papier an als ob man dazu morgens um 10 sein Nickerchen fortsetzen kann, da man sich doch nicht allzu sehr über den Schmonzes auf der Leinwand aufregt. Eldorado handelt von 2 Männekens, die gemeinsam in die weite Welt ziehen, einer ein Griesgram mit weichem Herz, der andere eine bemitleidenswerter Drogie. Stilsicher wandelt der Film dann zwischen traurig sein machen und Schmunzeln so breit die Mundwinkel reichen. Nanu, sowas kennt man doch nur aus Skandinavien?! Nee, die Belgier können das auch ganz gut, und wenn das jetzt schon dort angekommen ist, könnte man dann nicht mal drüber nachdenken sich auch mal wieder an anderen, ehrlicheren Humor umzusehen? Wenn dieser Film ein Profil des Festivals umreißen soll, dann könnten man sich fast schämen hier Dauergast zu sein.
Ein ganz anderes Kaliber dann schon Adhen von Rabah Ameur-Zaïmeche. Der Algerier bringt den Arbeiterfilm zurück aufs Parkett, Marx würde sich da vielleicht freuen. Fragmentarisch erzählt das Werk von einer Schar nordafrikanischer Einwanderer in Frankreich, die sich in einer Paletten-Fabrik verdingen. Es geht um Religion und Arbeit, um Traditionen und Anpassung. Alles mündet in einen offenen Konflikt und Streik. Der Film ist eine Sitzprobe sondergleichen, bleibt ästhetisch naiv und simpel und entfaltet dadurch seine Kraft - wenn man nicht schon längst das Kino verlassen hat.
Spannender da schon, was Pablo Larrain in Tony Manero veranstaltet. Verrückt ist das, bekloppt, hanebüchen, unangenehm. Er schickt uns auf die Reise mit einem Unsympathen, John Travolta-Verehrer und Serienmörder. Letztgenannter Fakt ist ebenso im Nebenbei zu betrachten wie die Pinochet-Diktatur, die dort im Hintergrund rauscht. Denn das Ganze spielt im Chile der 70er Jahre. Da werden Menschen auch mal gefoltert und abgeführt. Das findet aber Off-screen statt, denn unsere Kamera interessiert sich nur für das Ekel Raoul. Der NebenAffekt bedeutet damit auch: Die Morde des Mannes, dessen Schweißperlen wir stets sehen können machen uns mehr zu schaffen als das gesellschaftliche Klima, das wir - wie er - nur partiell wahrnehmen. Ein dreckiger kleiner Film ist das, der bei mir noch Stunden nach der Sichtung für vollkommene Unschlüssigkeit sorgte. Inzwischen weiß ich: Diese Schweinerei gefällt mir. Und eine Zweitsichtung ist nötig.
Glanz und Glorie verbinden sich mit dem Namen Versailles - in Pierre Schöllers gleichnamigen Film sieht der europäische Edelort für gelangweilte Touristen auf einmal ganz düster, dreckig und grau aus. Er erzählt die Geschichte eines Kindes, das immer wieder aufs Neue verstoßen wird. Zunächst von der noch jungen Mutter im Stich gelassen, wächst es bei Aussteigern im Wald auf. Später dann kommt es in eine gutbürgerliche Familie, doch die Bindungsschäden sind inzwischen zu stark sichtbar. In Frankreich läuft etwas gewaltig schief mit dem sozialen Netz. Das verstoßene Kind darf - muss aber auch nicht - gerne sinnbildlich gesehen werden für die Schäden des Rechtsrucks, den die Bürger ertragen müssen. Der Film funktioniert auch deshalb so gut, weil alle Figuren glaubhaft vermittelt werden und die Narben ihrer eigenen Geschichte tragen.
Versailles ist auch deshalb ein schöner Film, weil er keine Künstlichkeit prätendiert. Das Hauptproblem eines der Centerpieces des Festivals - Nuri Bilge Ceylans Three Monkeys. Der Film beschaut sich die Auswirkungen eines Lügenkonstrukts. Ein Vater und Chauffeur für einen führenden Politiker geht für diesen in den Knast. In dieser Zeit vergnügt sich die Ehefrau mit dem selbstverliebten Mann, der die anstehende Wahl trotz der nicht herausgekommenen Affären haushoch verliert. Irgendwann bekommt der Sohn die Situation spitz, der Vater kommt aus dem Knast und die Lage eskaliert... Ceylans Film strotzt nur so vor Schwerfälligkeit in seinen getönten Bildern. Die schroffe Aura, die poetische Tragik in jedem transportierten Bild, die Wortlosigkeit, alles sorgt dafür, dass Three Monkeys lange Zeit ein intensives Filmerlebnis ist. Irgendwann aber wird der Zuschauer dem Gehabe überdrüssig. In Cannes schliefen die Hälfte der Kritiker während der Vorführung ein. Das ist auch kein Wunder, denn wer möchte sich schon 110 Minuten in dieser konstruierten Prätention ergehen? Ceylan macht durch sein Bestehen auf die bleierne Bedachtsamkeit auf die Überlänge erstreckt seinen Film und dessen Wirkung kaputt. Ein interessantes, aber unbefriedigendes Filmerlebnis.
Bliebe noch eine Runde Entspannung: Tokyo! umfasst drei ca 30 Minüter von drei uns bekannten Namen. Michael Gondry präsentiert uns in Interior Design einen Studentenfilm, jeder der mal in einer viel zu kleinen Butze bei Freunden untergekommen ist wird sich hier wiederfinden dürfen. Gondry inszeniert Tokyo wie es für kleines Geld eben aussieht. Enger Raum für junge Menschen. Leos Carax legt es da schon bunter und lauter an: In Merde lässt er ein koboldähnliches Wesen (Denis Lavant) auf die Japaner los, dass diese nicht ausstehen kann und terrorisiert. Carax Parabel auf Terrorismus, Fanboytum und Medien lässt sich kritisch an und erfreut sich des Bumors eines Jean-Pierre Jeunet. Kann also gar nicht so schlecht sein. Joon-ho Bong schaut am Ende noch mit seinem Märchen Shaking Tokyo in die Runde. Ein soziopathischer Einzelgänger und Zwangi schließt sich in seine Wohnung ein bis eines Tages eine Gleichgesinnte seine Denke durcheinanderwirbelt. Für den sympathischen Schnuckel gilt wie für viele Episodenwerke. Schön anzusehen, aber Druck und Erwartungen nicht zu hoch ansetzend eben auch nur verarbeitete Ideechen ohne Anspruch auf allzu große Seriösität.
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