Dienstag, 12. Mai 2009

Marquis

Henri Xhonneux, Belgien/Frankreich 1989
Wo Vulgarität und Obszönität noch Platz haben - Im Kino


Ganz ungeniert geht es der Film an. Das Leben des Marquis de Sade als Gummimaskenspiel (was sonst?). Als Fabel, mit Hunden und Schweinen (wie sonst?). Henri Xhonneux und Roland Topor erschufen 1989 ein Fantasiereich der Groteske. Der Marquis ist ein dackelartiger aristokratischer Hund, gediegen, gepflegt, nachdenklich, intellektuell und durchaus melancholisch. Ein wahrhafter Poet, der die Sprache mit dem Sexuellen nur allzu natürlich in Einklang bringt. Er sitzt im Kerker und unterhält sich mit seinem Glied, das nur nach dem Einen sinnt (eine mäuerliche Spalte wird in Not penetriert) und dem Marquis auch in der Kunstfertigkeit der Sprachschöpfung Nachhilfe zu pflegen gedenkt ("Weniger Verben!"). Um ihn herum entspinnt sich ein Komplott, die französische Revolution steht bevor, der König vergewaltigt eine Magd, die dem Marquis zu Füßen liegt (ach, so ein sensibler Mann!), ihm wird es nun in die Schuhe geschoben. Des Marquis Zellenwächter ist ein geiles Schwein, dass es sich gerne besorgen lassen würde vom Edelmann und dann auch bekommt, nach was es verlangt - allerdings mit einer Languste von hinten, anstatt des stattlichen Schwanzes des Marquis. Dazu stellt den maßgeblichen Antagonisten ein geld-, ruhm- und sexgeiler Priester dar - seines Zeichens Kamel. Das Gummitreiben wird manchmal unterbrochen von surrealen Knetfigursequenzen, welche die Geschichten des Marquis adäquat bebildern.

Die Grobskizzierung dessen, was man dort zu Sehen bekommt, verrät es: Marquis ist ein verdammt schwarzhumoriges Stück Satire, mit Hieben gegen herrschende Strukturen, Kirche und menschliche (=tierische) Egomanien. Die sprudelnde Ideenmaschine der Kreateure macht mit dem anstößigen und wie selbstverständlich dahin genommenen tierisch-menschlichen Treiben um Sexualität alle Ehre. Wie sonst will man solch eine Geschichte darstellen als mit Gummitiermasken? Dem bürgerlichen Zuschauer wäre solch eine Darstellung sicherlich ein Garant für eine patente Röte im Gesicht. "Durchgeknallt!" wäre der Aufschrei. Gelächter die Konsequenz der psychologischen Verarbeitung. Doch die Wahrheit, die hinter diesem "Kinderspiel" und "Maskenball" steht ist so immanent, dass ein wissendes Grinsen stets über dem verdrängenden Lacher stehen würde. Das macht Marquis zum Ausnahmewerk, dass sich dieses Feixen zum Leitfaden genommen hat.

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