Donnerstag, 28. Mai 2009

Oscars Darling #1

Das pure Überwältigungskino zaubert Stephen Daldry mit The Reader auf die Leinwand. Wie schon in The Hours spinnt er ein menschliches Drama über mehrere Dekaden und springt in den Zeitebenen umher. Die verdichtete Extrem-Emotionalisierung lässt kaum Reflexionsfläche und so steigert sich der Film hinein in das Leiden der naiv-verunsicherten KZ-Wächterin (Kate Winslet), während um sie herum diverse Deutsche ihr Amerikanisch ausprobieren. Ebenso naiv-vermenschelt wie die Figur der Winslet gezeichnet wird stellt sich der ganze Film mit seinen Psychologisierungen an. Gib dem dummen Menschen ein Buch in die Hand und er wird human. Aha. Ansonsten ist Der Vorleser schlicht ein Remake von Ilsa - Shewolf of the SS - sozusagen Part 2: The following years.

John Patrick Shanleys eigens adaptierten Theaterstück Doubt merkt man die Eichung für die Bühne jeder Zeit an. Perfektes Schauspielerkino, dessen eng gestecktes Terrain auf kleinem Parcour sicherlich noch mehr Intensität versprühen würden. An und für sich erzählt Doubt die ewige Geschichte des eigenen Glaubens und die Gefahr des Verlusts, wenn man abstrakte moralische Kodexe mit der eigenen Realität abgleichen muss. Interessant dabei natürlich, dass diese Realität hier nun ausgerechnet am heiligsten aller Orte jenseits des Vatikans stattfindet - in einer katholischen Schule. Schöne Idee, wenig spektakulär, aber ruhig und gediegen ausgespielt.

Gus Van Sant hat sich zugunsten eines ambitionierten Themas - der erste bekennend schwule Stadtrat im San Francisco der 70er - mal wieder einen windigen Hollywood-Kalkulator geleistet. Mit zahlreichen Authentifizierungs-Strategien und ästhetischen Spielereien (Original-Dokumaterial aus der Zeit gemixt mit nachgestellte, verfälschten Bildern) lässt er historisches Portrait und unterhaltsame Kurzweil koppeln. Dramaturgie und Figurenwelten gliedern sich hier perfekt ein in ein Seherlebnis der affirmativen Art, um in dieser aufgeklärten Zeit dieses einst so subversive Szenario ideal verpackt an den Mann zu bringen. Ob nun Requisitendetailwettbewerb oder ein Schauspielkino der Extraklasse - Milk wittert Oscar-Luft und bleibt politisch korrekt wie ein republikanischer Senator.

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