Tarsem Singh, Indien/Großbritannien/USA 2006
In all der Simplizität der Erzählung, in all dem sehr einfachen und offenen Umgang mit dem Rezipienten bleibt es mir doch fast unergründlich - wie schafft Tarsem diese Bilderproduktion?
Manch einer will Film ja gerne auf die Bilderwelten reduzieren. Den Moment des a priori. Auch gerne ein Blick durch Kinderaugen. Aber waren es früher die Bilder, die uns vornehmlich bewegten, oder sind sie es nur, die "im Kopf hängen blieben"? Waren es nicht vielmehr Stereotype, Konturen, Erzählstränge u.Ä. die maßgeblichen Einfluss hatten? Die Frage mag vielleicht jeder auch für sich anders beantworten.
Tarsem Singh nun kann man eine Bilderproduktion rein für das kindliche Auge vorwerfen oder nicht. Ankommen tut sie jedenfalls auch beim Erwachsenen. Er schoss die surrealsten Bilder an den abgelegensten, unrealsten Orten in 18 verschiedenen Ländern und befindet sich ohne auch nur einmal künstlich oder unbelebt zu werden ad hoc in den Sphären eines Märchens. Und dessen Struktur ist bei weitem nicht so simpel wie sie von den Kritikern geredet wurde.
Ein osteuropäisches Mädchen lauscht gespannt den Worten eines verunglückten Stuntmans in einem Hospital im Los Angeles der 20er Jahre. Er erzählt ihr eine Geschichte von 5 Männern verschiedenster Herkunft und Coleur, die sich aus unterschiedlichsten Gründen an einem Gouverneur rächen wollen. Als das Mädchen selbst Einfluss auf die Erzählung nimmt, vermischen sich ihre Eindrücke aus dem täglichen Leben im Hospital und der Fiktion der Geschichte zusehends...
Was ist nun THE FALL außer einer Bilderexplosion noch? Ein Film über die Frage nach Autor und Rezipient. Ein sehr simples, emotionales Werk über die Opposition von Lebensoptimismus (Mädchen) und -pessimismus (Mann). Ein sehr einfaches Märchen, narrativ gar nicht so minder komplex zusammenerzählt. Zuweilen auch elegisches Kino der Flächen, Weiten und Farben.
Interessant und fast ein wenig unverständlich bleibt in diesem Zusammenhang die Auswertung des Films. THE FALL lief nicht etwa im großen Stil auf Festivals oder bekam einen mustergültig beworbenen Kinostart. Sein größter Erfolg blieb gerade einmal der Gewinn des kristallinen Bären der Kindersektion in Berlin sowie den Hauptpreis beim Nischenfestival des fantastischen Films in Sitges. Nun, 2 Jahre nach Fertigstellung der Produktion drängt er vollkommen verspätet auch in die deutschen Kinos und scheint an einem DVD-only Release nur knapp vorbei geschrammt zu sein.
Erstaunlich, dass die Erwachsenen mit diesem offensichtlich als Kinder- oder Genrefilm abgestempelten Werk nicht unzugehen wissen. Dabei ist die Bilderkonzentration des Filmes dieses mysteriösen Inders, der vorher vor allem Werbefilmer war, in Zeiten der Vollemotionalisierung in allen erdenklichen Sparten der audiovisuellen Verköstigung eine willkommene ehrliche Abwechslung. In einer Art surrealen Naivität kann man sich hier in eine Welt fallen lassen, die tatsächlich das Momentum des Eskapismus, einer wahrhaftigen Welt, die Singh mit seiner Kamera gefunden hat, auslebt. Wenn Kino vor allem auch Bilderproduktion, -verarbeitung und -genuss ist, dann wäre THE FALL das Meisterwerk. Und auch ohne solcherlei Bohei ist er immer noch eine verdammt beeindruckende Gestalt.
Montag, 24. November 2008
Samstag, 22. November 2008
Jerichow
Christian Petzold, Deutschland 2008
Die herbst-winterliche Stimmung, die verträumten Landschaften eines leeren Ostdeutschlands, der theatralische Minimalismus, das Noir-hafte Ambiente, Geld und Materialismus als begierliche Faktoren und Katalysatoren der Erzählung, kaputte Seelen, verletzte Beziehungsgefüge, eine Frau und zwei Männer, das leise Rauschen in den Baumwipfeln, die pasteurisierte Tragik.
Nein, ich spreche nicht von YELLA, wenngleich die Begriffssammlung hier ebenso gut passen würde. Die Rede ist von Christian Petzold neuem Film JERICHOW.
Im Niemandsland (und doch geografisch genau gefasst) wird die Geschichte des blanken jungen Thomas (Benno Fürmann) erzählt, dessen Mutter gestorben ist und er nun ihr Haus im besagten Ort bewohnt. Schulden hat er, Arbeit braucht er. Dank der Hilfe und tatkräftigem Einsatz bei Nachbar Ali (Hilmi Sözer) bekommt er einen Job als Fahrer für dessen Gastro-Logistik-Ich AG. Der depressive und alkoholkranke Ali hat auch eine hübsche Frau (Nina Hoss) und so nimmt die Geschichte den tragischen Lauf, der sich ach so hunderfach im Kino bereits abspielte.
Petzold bleibt sich in vielen Aspekten gerade im direkten Abgleich zum Vorgänger treu. Er konstruiert in einem streng-formalen Manierismus eine Geschichte, die so abstrus erscheint, dass die Humanista tatsächlich abstrahiert werden müssen. Funktionieren tut dies wie schon bei YELLA erstaunlich gut. Die hypnotisierende Sog-Wirkung in Petzolds Filmen speist sich aus diesen so unterschiedlichen Fronten. Hier lässt sich ein künstlerisches Konzept erkennen, welches auf Intuition setzt und sich fallen lässt ins Abenteuer Film.
Petzolds Kopfgeburten besitzen seit jeher die Nebenwirkung einer sich Bahn brechenden intellektuellen Gespreiztheit, die nur allzu gern einen Schwermut transportiert, der in seiner Vorrangigkeit einen moderigen, unangenehmen, typisch deutschen Geruch verbreitet. Das ist natürlich nur eine Beobachtung nebenher, schwieriger wiegt in diesem Fall vielleicht die bereits angedeutete, zu leicht zu ziehende Linie zum Vorgänger. Damit ist zwar klar: Der Film wird was. Aber auch: Weiterentwicklung findet sich hier nicht.
Irgendwo aber auch schnurzpiepegal. Petzold legt natürlich trotz der peniblen Mokierungen den mit Abstand besten Film des Jahres aus Deutschland vor. Sein parabelhafter Stil passt nach wie vor zur Bestandsaufnahme der Befindlichkeiten. Geld, Gier und Gewissen sind alte Motiv-Tugenden des Films und wirken in dem elegischen Stil Petzolds zeitlos. Zudem gelingt es dem Film trotz der Gestelztheiten stets überzeugende, tragische Figuren abzubilden, sei es in der geschlagenen, wortkargen, verlorenen Männlichkeit Fürmanns, der geheimnisvoll verlorenen Schönheit Hoss oder der polternden, alternden Verlorenheit Sözers. Petzolds Filme sind letztendlich immer ein eigenes Universum der ausstaffierten Miseren, der kühlen Desaster, des bezaubernden Zerfalls.
Die herbst-winterliche Stimmung, die verträumten Landschaften eines leeren Ostdeutschlands, der theatralische Minimalismus, das Noir-hafte Ambiente, Geld und Materialismus als begierliche Faktoren und Katalysatoren der Erzählung, kaputte Seelen, verletzte Beziehungsgefüge, eine Frau und zwei Männer, das leise Rauschen in den Baumwipfeln, die pasteurisierte Tragik.
Nein, ich spreche nicht von YELLA, wenngleich die Begriffssammlung hier ebenso gut passen würde. Die Rede ist von Christian Petzold neuem Film JERICHOW.
Im Niemandsland (und doch geografisch genau gefasst) wird die Geschichte des blanken jungen Thomas (Benno Fürmann) erzählt, dessen Mutter gestorben ist und er nun ihr Haus im besagten Ort bewohnt. Schulden hat er, Arbeit braucht er. Dank der Hilfe und tatkräftigem Einsatz bei Nachbar Ali (Hilmi Sözer) bekommt er einen Job als Fahrer für dessen Gastro-Logistik-Ich AG. Der depressive und alkoholkranke Ali hat auch eine hübsche Frau (Nina Hoss) und so nimmt die Geschichte den tragischen Lauf, der sich ach so hunderfach im Kino bereits abspielte.
Petzold bleibt sich in vielen Aspekten gerade im direkten Abgleich zum Vorgänger treu. Er konstruiert in einem streng-formalen Manierismus eine Geschichte, die so abstrus erscheint, dass die Humanista tatsächlich abstrahiert werden müssen. Funktionieren tut dies wie schon bei YELLA erstaunlich gut. Die hypnotisierende Sog-Wirkung in Petzolds Filmen speist sich aus diesen so unterschiedlichen Fronten. Hier lässt sich ein künstlerisches Konzept erkennen, welches auf Intuition setzt und sich fallen lässt ins Abenteuer Film.
Petzolds Kopfgeburten besitzen seit jeher die Nebenwirkung einer sich Bahn brechenden intellektuellen Gespreiztheit, die nur allzu gern einen Schwermut transportiert, der in seiner Vorrangigkeit einen moderigen, unangenehmen, typisch deutschen Geruch verbreitet. Das ist natürlich nur eine Beobachtung nebenher, schwieriger wiegt in diesem Fall vielleicht die bereits angedeutete, zu leicht zu ziehende Linie zum Vorgänger. Damit ist zwar klar: Der Film wird was. Aber auch: Weiterentwicklung findet sich hier nicht.
Irgendwo aber auch schnurzpiepegal. Petzold legt natürlich trotz der peniblen Mokierungen den mit Abstand besten Film des Jahres aus Deutschland vor. Sein parabelhafter Stil passt nach wie vor zur Bestandsaufnahme der Befindlichkeiten. Geld, Gier und Gewissen sind alte Motiv-Tugenden des Films und wirken in dem elegischen Stil Petzolds zeitlos. Zudem gelingt es dem Film trotz der Gestelztheiten stets überzeugende, tragische Figuren abzubilden, sei es in der geschlagenen, wortkargen, verlorenen Männlichkeit Fürmanns, der geheimnisvoll verlorenen Schönheit Hoss oder der polternden, alternden Verlorenheit Sözers. Petzolds Filme sind letztendlich immer ein eigenes Universum der ausstaffierten Miseren, der kühlen Desaster, des bezaubernden Zerfalls.
Freitag, 21. November 2008
Redacted vs Black Hawk Down vs Body of Lies
Irgendwie passt der letzt genannte Titel auch gut zum vorangestellten Film. REDACTED von Brian De Palma gewann den silbernen Regie-Löwen 2007 in Venedig und stellt einen ersten Versuch dar, den Irakkrieg ins Bild zu setzen. Ganz dem Zeitgeist verschrieben wird es formal wild: Per Digicam, Youtube-Clips, Überwachungskameras und Blogeinträgen erzählt De Palma die Geschichte eines US-Corps, der gelangweilt einen Stützpunkt bewacht. Ein Soldat wird hochgesprengt, ein anderer geköpft. Den Hauptstrang aber stellt die Vergewaltigung und Ermordung einer 15-jährigen dar, deren Familie ebenfalls ausgelöscht wird durch 2 Redneck-Soldaten. Hier bekommt der Film seinen Drive und gleichzeitig seine Problematik. Ohne diese eklatante Zuspitzung eines Kriegsverbrechens würde REDACTED tatsächlich nur müde dahinpletschern, weil De Palma nichts Neues zu erzählen hat aus dem Alltag der US-Soldaten. Mit dem grausamen Kriegsverbrechen aber fällt der Film hinter eine standardisierte Erzählung zurück, bedient sich ausgelatschter Stereotype und einem moralischen Zeigefinger. Das parallele Spiel von forcierter Authentifizierungsstrategie und klassisch-konventionalisierten Erzählmuster geht nicht auf und verweist in den letzten Bildern (echte Bilder von toten Irakis) sogar auf einen plakativ-banalen und unreflektierten politischen Moral-Blick.
Wenn einem REDACTED aber schon besonders hohl vorkommt, dann schaue man besser nicht Ridley Scotts 2001er BLACK HAWK DOWN. Beleuchtet wird die US Intervention in Somalia 1993. Ein außer Kontrolle geratener Einsatz wird verdichtet zum Jump'n'Run und Hide and Seek Kriegsfilm. Assault on Precinct Mogadischu 93. Mit welcher Dreistigkeit Scott hier gelackte Bilder des Todes neben pathetisches Kriegsgeheul stellt, wie er schamlos sein ausformuliertes Konzept vom "Anderen" auf eine fremde, enthumanisierte Welt anwendet, wie er einen brutalst trivialen Film über Soldatenwerte wie Solidarität und Männlichkeit dreht, das ist schon ein erstaunlicher Tiefpunkt in der Karriere eines Mannes, von dem man ja doch ein wenig mehr Anstand erwarten hat können. Wirken die Stereotype in REDACTED noch wie buberlhafte Pappkameraden, sind sie hier schon schwerwiegender besetzt (allen voran Eric Bana als unhinterfragt mutiger Soldat). Beide Filme propagieren den Anti-Krieg, beide tun es auf so stupide wie ärgerliche Weise.
Dagegen wirkt Scotts neues Stück BODY OF LIES fast noch brav. Ein bisschen akute Terrorangst hier, aktuelle politische Verbändelungen da. Ein tougher Leonardo DiCaprio im Einsatzgebiet, ein rougher Russell Crowe als dezidiert abgebrühter Kopf an der Heimatfront. Ein wildes politisches Intrigenspiel auf breiter Fläche und ein wenig kulturelle Annäherung im Liebesspiel. BODY OF LIES hinterlässt in seiner Verdichtung von allem und jedem ein brandgerodetes Stück Zelluoid. Es kann als unterhaltsamer Quatsch abgetan werden, ein halbwegs politischer Film, der das alte Fazit vom "Niemand ist schuldlos" herauskramt und am Ende immerhin nicht ärgerlich ist. Dass Ridley Scott solch eine Konklusion nach seinen letzten Filmen fast schon gut zu Gesicht steht ist das eigentlich Beschämende.
Wenn einem REDACTED aber schon besonders hohl vorkommt, dann schaue man besser nicht Ridley Scotts 2001er BLACK HAWK DOWN. Beleuchtet wird die US Intervention in Somalia 1993. Ein außer Kontrolle geratener Einsatz wird verdichtet zum Jump'n'Run und Hide and Seek Kriegsfilm. Assault on Precinct Mogadischu 93. Mit welcher Dreistigkeit Scott hier gelackte Bilder des Todes neben pathetisches Kriegsgeheul stellt, wie er schamlos sein ausformuliertes Konzept vom "Anderen" auf eine fremde, enthumanisierte Welt anwendet, wie er einen brutalst trivialen Film über Soldatenwerte wie Solidarität und Männlichkeit dreht, das ist schon ein erstaunlicher Tiefpunkt in der Karriere eines Mannes, von dem man ja doch ein wenig mehr Anstand erwarten hat können. Wirken die Stereotype in REDACTED noch wie buberlhafte Pappkameraden, sind sie hier schon schwerwiegender besetzt (allen voran Eric Bana als unhinterfragt mutiger Soldat). Beide Filme propagieren den Anti-Krieg, beide tun es auf so stupide wie ärgerliche Weise.
Dagegen wirkt Scotts neues Stück BODY OF LIES fast noch brav. Ein bisschen akute Terrorangst hier, aktuelle politische Verbändelungen da. Ein tougher Leonardo DiCaprio im Einsatzgebiet, ein rougher Russell Crowe als dezidiert abgebrühter Kopf an der Heimatfront. Ein wildes politisches Intrigenspiel auf breiter Fläche und ein wenig kulturelle Annäherung im Liebesspiel. BODY OF LIES hinterlässt in seiner Verdichtung von allem und jedem ein brandgerodetes Stück Zelluoid. Es kann als unterhaltsamer Quatsch abgetan werden, ein halbwegs politischer Film, der das alte Fazit vom "Niemand ist schuldlos" herauskramt und am Ende immerhin nicht ärgerlich ist. Dass Ridley Scott solch eine Konklusion nach seinen letzten Filmen fast schon gut zu Gesicht steht ist das eigentlich Beschämende.
Freitag, 7. November 2008
The Wrestler
Darren Aronofsky, USA 2008
Narben und Narkose. Nascar und nasty american white trash. Was haben wir mit dem Kerl dort auf der Leinwand zu tun? Mickey Rourke spielt Randy "The Ram" Robinson, einen all american Wrestler aus den End-80ern, der nun 20 Jahre später im Trailerpark dahinvegetiert. Ich fragte mich schon, wer sowas denn sehen wolle als ich erstmals davon hörte. Klar, Aronofsky ist interessiert am Mythos, der eigenen Kindheitserinnerung, am Tragischen der Geschichte eines alternden Wrestlers (man riskiere mal einen Blick auf youtube oder wikipedia, viele der werten Herren fanden sich zwischen 30 und 45 bereits im Kreise ihrer Urahnen wieder). Klar, einen klasse Film kann man daraus eh machen. Nur das Arthouse-Publikum ist doch spätestens seit The Fountain verschreckt, der Mainstream fällt bei dem Thema eh aus. Also wer soll das gucken?
Zumindest Cinemaniacs bleiben übrig. Und Volk, das in den 80ern und 90ern mit dem Wrestling als Spasspark und Zirkusersatz im Fernsehen aufgewachsen ist. Da ich mich zu beiden Parteien zähle also ein Film für mich. Aber bitte sehr, was frage ich denn hier - Aronofsky hat eh immer Filme für mich gemacht!
Back to the roots sagt der Gassenhauer. Ja, die over the shoulder geschnallte Kamera und das Thema begeben sich wieder in bodenständigere Gefilde. Vor 2 Jahren trieb es Aronofsky noch im Weltall und im Mittelalter, heute im Trailerpark des weißen Abschaums seines Landes. Es sind auch mal wieder schnelle shots dabei, leicht improvisiertes, schlecht ausgeleuchtetes. The Wrestler erinnert hier und da an seinen Erstling Pi.
Und auch thematisch darf man Parallelen erkennen. Oberflächlich war Pi ein Thriller und ist The Wrestler eine Biographie. Beide Filme erzählen aber weitaus mehr, beide Filme bemühen sich ernsthaft um ihre zentralen Figuren. Sie erzählen über Einsamkeit, Entfremdung, Isolierung, vom täglichen Fristen in seiner Kaste, seinem System, was sich beide Protagonisten aufgebaut haben und aus dem sie sich nicht mehr befreien können.
Besonders "herzzerreißend" (Wenders) ist dabei der verständnisvolle, zärtliche Blick Aronofskys. Selten hat die Kamera soviel Mitleid bei gleichzeitigem Respekt für den Protagonisten transportiert. Der Film liebt seine Figur, die es ihm erlaubt zu atmen - und das weiß er.
Schwer einzuschätzen, ob je die Gefahr bestand, dass Rourke irgendwie lächerlich wirken könnte in seiner Performance. Er tut es nicht, und weiß mit Stolz und Anstand seine Rolle des verletzten Einzelkämpfers zu verkörpern. Aprospos Verletzungen und Körper. The Wrestler ist selbstverständlich ein Film der puren Körperlichkeit. Rourkes muskulöses, zerschreddertes Gewebe spielt die Hauptrolle, es geht um Narben, Blut und nochmal Narben jeglicher Coleur. Es schmerzt vielfach hinzusehen, auf vielen Ebenen.
Man nähert sich mit diesen Gedanken auch der Frage, ob das nicht auch jemand Anderes so gut hinbekommen hätte wie Aronofsky und sein Team. Es ist schließlich der erste Film, bei dem er nicht das Drehbuch mitverfasste. Es hätte vielleicht, ja. Und doch tun sich vielerlei Motive und Ideen auf, ohne deren Grundlage dieses Werk nicht zu denken wäre. Vom Einzelmoment der emotionalen Entkopplung und Entfesslung des Protagonisten schrieb ich bereits (Burstyn in Requiem setzt dahingehend immer noch Maßstäbe). Von der harten Darstellung einer schroffen Körperlichkeit, die an die Nieren geht war die Rede. Auch das kennen wir aus allen vorhergehenden Filmen Aronofskys. Der Vergleich mit Pi, richtig. Und das Sounddesign! Clint Mansells entrückter Score. Die soundcollagenhafte Montage in Momenten der inneren Anspannung (sowohl des Protagonisten als auch des Films) sind auffällig. Ansonsten viel Zurücknahme und Dezenz.
Wie üblich in großen Werken bleiben trotz der Pietät viele großartige Szenen im Kopf zurück. Rourkes emotionales Geständis gegenüber seiner Tochter vor einem leeren, ausgehöhlten Casino am Strand von Coney Island. Rourkes Weg zur Arbeit als Fleischverkäufer. Rourkes letzer Blick in die leere Tribüne. Und das alles mit ziemlich wenig Pathos versehen.
The Wrestler ist ein fast schlichtes Drama über einen schlichten Typen. Entgegen der üblichen Bio-Pics liebt der Film seine verlorene, verlassene Figur. Er schmäht nicht einmal das Milieu des republikanischen low class Amerikas. Er hat einfach Mitleid und einen Blick fürs tägliche Leid. Am Ende ersäuft sich "The Ram" in seinem letzten, fast chimärenhaften Ruhm. Vor der amerikanischen Flagge torkelt er mit letzter Kraft. Die bändigende Weiblichkeit (Marisa Tomei und Evan Rachel Wood) hat ihn verlassen, weil er's verbockt hat. Er ist wieder allein, in seinem letzten Kampf. Der Ayatollah sein Gegner von vor 20 Jahren und das der Film gerade jetzt herauskommt und diese Parallelen zum politischen Treiben gegen Ende so sichtbar werden ist eigentlich fast gar keine Bemerkung wert.
Irgendwie wirkt The Wrestler trotz allem fast wie im Vorübergehen angefertigt. Aronofsky hat in den 6 Jahren Arbeit an The Fountain eine Menge Zeit verloren, nun zeigt er im 4/4-Takt, was er für Potenzial besitzt. The Wrestler ist noch einmal ein ganz anderer Film als seine drei Vorhergehenden. Und doch wieder, ganz der qualitativen Konstanz verschrieben. Dieses Mal mit dem Blick von der Straße auf die Straße. Ungeschönt, ehrlich, obsessiv. Wie es Kino sein sollte.
Narben und Narkose. Nascar und nasty american white trash. Was haben wir mit dem Kerl dort auf der Leinwand zu tun? Mickey Rourke spielt Randy "The Ram" Robinson, einen all american Wrestler aus den End-80ern, der nun 20 Jahre später im Trailerpark dahinvegetiert. Ich fragte mich schon, wer sowas denn sehen wolle als ich erstmals davon hörte. Klar, Aronofsky ist interessiert am Mythos, der eigenen Kindheitserinnerung, am Tragischen der Geschichte eines alternden Wrestlers (man riskiere mal einen Blick auf youtube oder wikipedia, viele der werten Herren fanden sich zwischen 30 und 45 bereits im Kreise ihrer Urahnen wieder). Klar, einen klasse Film kann man daraus eh machen. Nur das Arthouse-Publikum ist doch spätestens seit The Fountain verschreckt, der Mainstream fällt bei dem Thema eh aus. Also wer soll das gucken?
Zumindest Cinemaniacs bleiben übrig. Und Volk, das in den 80ern und 90ern mit dem Wrestling als Spasspark und Zirkusersatz im Fernsehen aufgewachsen ist. Da ich mich zu beiden Parteien zähle also ein Film für mich. Aber bitte sehr, was frage ich denn hier - Aronofsky hat eh immer Filme für mich gemacht!
Back to the roots sagt der Gassenhauer. Ja, die over the shoulder geschnallte Kamera und das Thema begeben sich wieder in bodenständigere Gefilde. Vor 2 Jahren trieb es Aronofsky noch im Weltall und im Mittelalter, heute im Trailerpark des weißen Abschaums seines Landes. Es sind auch mal wieder schnelle shots dabei, leicht improvisiertes, schlecht ausgeleuchtetes. The Wrestler erinnert hier und da an seinen Erstling Pi.
Und auch thematisch darf man Parallelen erkennen. Oberflächlich war Pi ein Thriller und ist The Wrestler eine Biographie. Beide Filme erzählen aber weitaus mehr, beide Filme bemühen sich ernsthaft um ihre zentralen Figuren. Sie erzählen über Einsamkeit, Entfremdung, Isolierung, vom täglichen Fristen in seiner Kaste, seinem System, was sich beide Protagonisten aufgebaut haben und aus dem sie sich nicht mehr befreien können.
Besonders "herzzerreißend" (Wenders) ist dabei der verständnisvolle, zärtliche Blick Aronofskys. Selten hat die Kamera soviel Mitleid bei gleichzeitigem Respekt für den Protagonisten transportiert. Der Film liebt seine Figur, die es ihm erlaubt zu atmen - und das weiß er.
Schwer einzuschätzen, ob je die Gefahr bestand, dass Rourke irgendwie lächerlich wirken könnte in seiner Performance. Er tut es nicht, und weiß mit Stolz und Anstand seine Rolle des verletzten Einzelkämpfers zu verkörpern. Aprospos Verletzungen und Körper. The Wrestler ist selbstverständlich ein Film der puren Körperlichkeit. Rourkes muskulöses, zerschreddertes Gewebe spielt die Hauptrolle, es geht um Narben, Blut und nochmal Narben jeglicher Coleur. Es schmerzt vielfach hinzusehen, auf vielen Ebenen.
Man nähert sich mit diesen Gedanken auch der Frage, ob das nicht auch jemand Anderes so gut hinbekommen hätte wie Aronofsky und sein Team. Es ist schließlich der erste Film, bei dem er nicht das Drehbuch mitverfasste. Es hätte vielleicht, ja. Und doch tun sich vielerlei Motive und Ideen auf, ohne deren Grundlage dieses Werk nicht zu denken wäre. Vom Einzelmoment der emotionalen Entkopplung und Entfesslung des Protagonisten schrieb ich bereits (Burstyn in Requiem setzt dahingehend immer noch Maßstäbe). Von der harten Darstellung einer schroffen Körperlichkeit, die an die Nieren geht war die Rede. Auch das kennen wir aus allen vorhergehenden Filmen Aronofskys. Der Vergleich mit Pi, richtig. Und das Sounddesign! Clint Mansells entrückter Score. Die soundcollagenhafte Montage in Momenten der inneren Anspannung (sowohl des Protagonisten als auch des Films) sind auffällig. Ansonsten viel Zurücknahme und Dezenz.
Wie üblich in großen Werken bleiben trotz der Pietät viele großartige Szenen im Kopf zurück. Rourkes emotionales Geständis gegenüber seiner Tochter vor einem leeren, ausgehöhlten Casino am Strand von Coney Island. Rourkes Weg zur Arbeit als Fleischverkäufer. Rourkes letzer Blick in die leere Tribüne. Und das alles mit ziemlich wenig Pathos versehen.
The Wrestler ist ein fast schlichtes Drama über einen schlichten Typen. Entgegen der üblichen Bio-Pics liebt der Film seine verlorene, verlassene Figur. Er schmäht nicht einmal das Milieu des republikanischen low class Amerikas. Er hat einfach Mitleid und einen Blick fürs tägliche Leid. Am Ende ersäuft sich "The Ram" in seinem letzten, fast chimärenhaften Ruhm. Vor der amerikanischen Flagge torkelt er mit letzter Kraft. Die bändigende Weiblichkeit (Marisa Tomei und Evan Rachel Wood) hat ihn verlassen, weil er's verbockt hat. Er ist wieder allein, in seinem letzten Kampf. Der Ayatollah sein Gegner von vor 20 Jahren und das der Film gerade jetzt herauskommt und diese Parallelen zum politischen Treiben gegen Ende so sichtbar werden ist eigentlich fast gar keine Bemerkung wert.
Irgendwie wirkt The Wrestler trotz allem fast wie im Vorübergehen angefertigt. Aronofsky hat in den 6 Jahren Arbeit an The Fountain eine Menge Zeit verloren, nun zeigt er im 4/4-Takt, was er für Potenzial besitzt. The Wrestler ist noch einmal ein ganz anderer Film als seine drei Vorhergehenden. Und doch wieder, ganz der qualitativen Konstanz verschrieben. Dieses Mal mit dem Blick von der Straße auf die Straße. Ungeschönt, ehrlich, obsessiv. Wie es Kino sein sollte.
Sonntag, 2. November 2008
My Life Without Me
Isabel Coixet, Kanada/Spanien 2002
So ein Film hat mir jetzt gerade noch gefehlt. Nicht nur mir, sondern auch allen. Und der Filmwelt. Jemand bekommt den bescheid, dass er bald an Eileiter-Krebs stirbt und hat nun noch eine Restzeit, die filmisch abgeleuchtet wird. Kennt man sonst nur aus Emergency Room. Ist aber tatsächlich ein filmischer Stoff, der gelingen muss.
Ann (Sarah Polley) also ist die von Gott Auserwählte. Sie hat einen liebenden Ehemann, 2 tolle Töchter, wohnt im Trailerpark, hat emotionale Eiszeit mit der Mutter und gar keinen Kontakt mehr zum Vater, der im Knast sitzt. Was nun passiert zeugt von Gelassenheit und Stärke. Sie schmiedet in melancholischer Nonchalance Pläne - neue Frau für den Mann und Töchter suchen, einen Anderen in sich verliebt machen, den Vater wiedersehen etc.
My Life Without Me ist überwältigend, ob man das positiv oder negativ konnotieren mag. Die Tränen fließen auf und abseits des Bildschirm in rauen Mengen. Nicht schwer bei dem Thema möchte man meinen. Und doch hat der Film etwas Bemerkenswertes zu leisten. Er handelt von Traurigkeit. Von scheiß Leben. Vom Leben als Scheißehaufen. Trailerpark, Schönheitsidealen hinterherrennenden Frauen, Hebammen die Säuglinge in den Tod begleiteten, Männer die Swimming Pools für sozial Höhergestellte bauen, Männer die im Knast fernab der lebendigen Welt verrotten. Die Welt ist so ein großer Haufen Dreck, das wir nicht anders können als in jeder Minute heulen. Wunderbar.
Erstaunlich wie Coixet im Nebenher eine Romanze (Mark Ruffalo als Lover und gescheiterte Figur, nochmal jemand der am Ende seiner Kräfte ist) etabliert und Musikstücke zur emotionalen Untermalung drunterhaut als ob das hier nicht alles ein ganz großer Depri-Reigen wäre. Das macht Ann natürlich ziemlich zwiespältig und lässt doch eine Geschichte der letzten Liebe aufkommen, wie sie in einem Lebensabschnitt etabliert bleibt. Die letzte Szene als emotionaler Aufbau Ruffalos zeugt von moralischem Abdecken der Episode. Überhaupt gibt's immer mal wieder was zu kritisieren unter den Tränen. Die Musical-Szene im Supermarkt etwa, bei der das arbeitende Volk doch etwas überhöht dargestellt wird. Hier bitte soziale Kontexte mitbeachten. Und genau: Leben so lebenslustig-zufriedene Menschen im Trailerpark?
Oh ja, Life Without Me versprüht ebenfalls einen gewissen Lebensoptimismus. Sei froh Kunde, das du noch Leben kannst. Tu es dann bitte auch. Mit dem abruptem Ende verschweigt uns Coixet den Schmerz der Nebenfiguren. Erspart uns auch die Trauer. Reicht ja auch, wir haben genug gelitten. Life Without Me ist ein Kopffilm, bei dem Coixet jedoch gezielt die Knöpfe zu drücken vermag. Ein emotionaler Magengrubenbearbeiter. Eine großartige Entdeckung.
So ein Film hat mir jetzt gerade noch gefehlt. Nicht nur mir, sondern auch allen. Und der Filmwelt. Jemand bekommt den bescheid, dass er bald an Eileiter-Krebs stirbt und hat nun noch eine Restzeit, die filmisch abgeleuchtet wird. Kennt man sonst nur aus Emergency Room. Ist aber tatsächlich ein filmischer Stoff, der gelingen muss.
Ann (Sarah Polley) also ist die von Gott Auserwählte. Sie hat einen liebenden Ehemann, 2 tolle Töchter, wohnt im Trailerpark, hat emotionale Eiszeit mit der Mutter und gar keinen Kontakt mehr zum Vater, der im Knast sitzt. Was nun passiert zeugt von Gelassenheit und Stärke. Sie schmiedet in melancholischer Nonchalance Pläne - neue Frau für den Mann und Töchter suchen, einen Anderen in sich verliebt machen, den Vater wiedersehen etc.
My Life Without Me ist überwältigend, ob man das positiv oder negativ konnotieren mag. Die Tränen fließen auf und abseits des Bildschirm in rauen Mengen. Nicht schwer bei dem Thema möchte man meinen. Und doch hat der Film etwas Bemerkenswertes zu leisten. Er handelt von Traurigkeit. Von scheiß Leben. Vom Leben als Scheißehaufen. Trailerpark, Schönheitsidealen hinterherrennenden Frauen, Hebammen die Säuglinge in den Tod begleiteten, Männer die Swimming Pools für sozial Höhergestellte bauen, Männer die im Knast fernab der lebendigen Welt verrotten. Die Welt ist so ein großer Haufen Dreck, das wir nicht anders können als in jeder Minute heulen. Wunderbar.
Erstaunlich wie Coixet im Nebenher eine Romanze (Mark Ruffalo als Lover und gescheiterte Figur, nochmal jemand der am Ende seiner Kräfte ist) etabliert und Musikstücke zur emotionalen Untermalung drunterhaut als ob das hier nicht alles ein ganz großer Depri-Reigen wäre. Das macht Ann natürlich ziemlich zwiespältig und lässt doch eine Geschichte der letzten Liebe aufkommen, wie sie in einem Lebensabschnitt etabliert bleibt. Die letzte Szene als emotionaler Aufbau Ruffalos zeugt von moralischem Abdecken der Episode. Überhaupt gibt's immer mal wieder was zu kritisieren unter den Tränen. Die Musical-Szene im Supermarkt etwa, bei der das arbeitende Volk doch etwas überhöht dargestellt wird. Hier bitte soziale Kontexte mitbeachten. Und genau: Leben so lebenslustig-zufriedene Menschen im Trailerpark?
Oh ja, Life Without Me versprüht ebenfalls einen gewissen Lebensoptimismus. Sei froh Kunde, das du noch Leben kannst. Tu es dann bitte auch. Mit dem abruptem Ende verschweigt uns Coixet den Schmerz der Nebenfiguren. Erspart uns auch die Trauer. Reicht ja auch, wir haben genug gelitten. Life Without Me ist ein Kopffilm, bei dem Coixet jedoch gezielt die Knöpfe zu drücken vermag. Ein emotionaler Magengrubenbearbeiter. Eine großartige Entdeckung.
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