Dienstag, 3. Februar 2009

Rachel Getting Married

Jonathan Demme, USA 2008
Sie gilt als abgeschlossen und wurde gar eifrigst auf einer Pressekonferenz anno 2005 im großen Stil verabschiedet - die Dogma 95 Bewegung. Aber kann solch eine Bewegung einfach so als historische Epoche abgesteckt werden? Fakt ist, dass die Dogma-Bewegung einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat in der Filmlandschaft. Auch heute noch lässt sich das ablesen. Bestenfalls in wirklich guten Filmen.

RACHEL GETTING MARRIED ist solch ein Glücksfall. Der Film erzählt von einer hoch dysfunktionalen Familie in einer klischeefreien Authentizität, das es beinahe beängstigend ist. Mit der Kamera auf der Schulter schmeißt sich das Team in ein Getümmel aus Lebensfreude und Depression, aus in den Gesichtern der Figuren arbeitenden Vergangenheiten und Gegenwarten voller gemischter Gefühle. Kym (Anne Hathaway) kommt aus der Entzugsklinik um der Hochzeit ihrer Schwester Rachel (Rosemarie DeWitt) beiwohnen zu können. Hier nun, auf der Hochzeit, verweilen wir mit den Protagonisten. Rachel heiratet einen Afroamerikaner, die beiden Familien verstehen sich blendend, wenngleich es Risse in Kyms Familie gibt.

Diese Hochzeitsfeier gerät also zum Mittelpunkt. Das Zelebrieren dieses einen besonderen - in diesem Fall auch betont multikulturellen - Moments macht die eine Seite des Films aus. Es wird getanzt, gelacht, gescherzt, das Leben genossen. Die unmittelbare Hineingeworfenheit ins Geschehen, dieses ganz offensichtlich familiäre Zusammenkommen der Filmcrew, die Szenen in denen man sich einfach fühlt als sei man bei einem Hi8 Filmabend dabei und schaue sich mit seinen Freunden nochmal die alten Hochzeitsvideos an, die Momente in denen der Film los lässt und bei minutenlangen Musikszenen verweilt - dieser vermeintlich kleine Film vermittelt eine Lebensfreude, dass man beinahe wehmütig werden könnte.

Und dann gibt es dieses andere Gesicht. Kym ist - wie viele Figuren in dem Stück, man schaue nur auf den sorgenden Vater und die kühle Mutter - eine höchst ambivalente Figur. Sie nimmt uns an die Hand und ist die zentrale Bezugsperson für uns. Doch dann bemerken wir ihre Fragilität, spüren ihre unglaubliche Egozentriertheit und befinden uns im Dilemma an sie ja gebunden zu sein. Glücklicherweise weiß sich die Kamera auch mal zu lösen (siehe oben), und doch bleibt die Hathaway die tragische Figur im Stück. Bemitleidenswert. Nervig. Fremdscham herauskitzelnd. Unsympathisch. Sympathisch. Ein Meisterstück an Schauspielerei.

Der Film hält uns eindrucksvoll vor Augen wie einmalig und zerbrechlich zugleich unsere abgesteckten Lebensmomente sind. Wie dicht Freud und Leid beieinander liegen, wie sie koexistieren müssen. Zwischen den Freudentränen und denen des Schmerzes liegen Momente, so dicht ist das Leben in dieser engen Zeitspanne. RACHEL GETTING MARRIED erzählt wie im Nebenher von Seelenzuständen, von psychologischen Beschaffenheiten, von Beziehungskonstellationen, die unmittelbare Auswirkungen auf Identitätsentwicklungen haben, deren Ergebnis wir nun hier präsentiert bekommen. Dieses Hochzeitsbankett ist zugleich eine Ode an die Lebenslust als auch ein tieftrauriger Blick auf menschliches Miteinander.

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