Mittwoch, 17. Dezember 2008

Wolfsburg

Christian Petzold, Deutschland 2003
Bevor ein Regisseur die ruhmreichen Hallen des Wettbewerbs eines Arthouse-Festivals betreten darf, muss er sich seine Sporen verdienen. Mitunter auch gerne mal mit großen Filmen in Nebensektionen, einfach weil der "Name noch nicht groß genug ist". Christian Petzold - inzwischen mit Yella bei der Berlinale und Jerichow in Venedig reüssiert - hatte 2003 das Pech mit seinem überragenden WOLFSBURG ausgerechnet im seit Jahren darbenden Berlin in die Panorama-Sektion verschoben zu werden.

Bevor also Petzold in den Folgejahren in den mystisch-matten Osten weiterwandert verwandelt er die Autostadt in einen verklärten Ort. Viele Grundmotive sind schon hier - ein Autounfall als Katalysator der Geschichte, vorbelastete Beziehungen oder die Ruhe im Sturm, die Petzolds Filme seit jeher auszeichnen. Und doch das wichtigste Motiv der Folgefilme fehlt noch: Das Geld.

In WOLFSBURG fährt Yuppie Philipp das Kind von Arbeiterin Laura tot (Benno Fürmann und Nina Hoss - beide sehen wir auch in JERICHOW gemeinsam Seite an Seite). Philipp kommt mit seinem schlechten Gewissen nur mäßig zurecht und nähert sich Laura behutsam an, rettet sie gar vorm Selbstmord und verschafft ihr am Ende die nötige Karthasis.

Neben dem letzten Moment, dem die tiefe Tragik eines Shakespearschen Dramas innewohnt, der wie nach einer durchgemachten Nacht als Film nebenher läuft, der sich zuspitzte und nun implodiert - neben diesem brutalen Moment der Erkenntnis, der Rache und des Sühne, macht Petzold in seinem Film vor allem Eines: Er stellt vollkommen nüchtern und präzise zentrale Lebenseinbrüche - der Tod, der Verlust, die Trauer, die Schuld - alltäglichen Banalitäten gegenüber. Der Film überbetont die unterkühlte Beziehung zwischen Philipp und seiner Frau, es gibt Streitereien, einmal gar versteht sie sein Geständnis der Tat vollkommen falsch und denkt, er habe sie schlichtweg betrogen. Die Kommunikation ist am Ende, die Gefühle ausgestorben. Und dort drüben, am anderen Tischende sitzt jemand, der gerade alles verloren hat, der alle bösartigen Gefühlszustände durchleben muss, und mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen.

Wenn jedoch kein Geldmangel, -gier oder -not thematisiert wird, dann aber doch die Arbeitswelt. Die macht Laura in Form ihres eifersüchtigen Arschlochs von Chef nämlich auch zu schaffen, während Philipp Autos verkauft und sich von seinem Schwager täglich anhören muss, dass er doch bitte nicht die Schwester verletzen möge, sonst setzt's was. "Eine Kleinfamilie braucht Sicherheit im Wagen, also erzähl denen nicht was von Pferdestärken!"

Sicherheit und Halt hat hier keiner mehr, das Unumkehrbare ist geschehen und nun labt sich der Film am Kloß der ihm im Hals steckt. In die pure Depression getrieben, fühlt man sich wie übernächtigt und kann den karthatischen Moment nicht einmal mehr genießen. Das Motiv heißt hier Zerstörung. Ein wesentlicher Bestandteil menschlichen Lebens.

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