Woody Allen, Spanien/USA 2008 / Sam Mendes, USA 2008
2 Filme verhandeln dieser Tage geschlechterhafte Beziehungsgeflechte auf ihre Art und Weise. In den Einen strömen sie derzeit alle, vor allem das Studentenvolk, so auch ich mit zwei bezaubernden Damen, ganz im Sinne Woody Allens, dem Neurotiker mit der neu entdeckten Leidenschaft für junge Musen, die vielleicht der wesentliche Ausschlag sind, warum Woody im hohen Alter endlich mal durchdachtere Konzepte vorlegt ohne stets Ich-bezogen durch seine eigenen urbanen Neurotismen zu marschieren. Der Andere wird ab Januar vermutlich eher betagtere Menschen ins Kino ziehen und als nicht ganz so hip gehypt werden. Beide verhandeln aber praktisch die gleiche Frage.
In VICKY CRISTINA BARCELONA, den manche interessanterweise als "luftige Sommerkomödie" wahrnehmen, widmet sich Allen dem Partnerschaftschaos einer Generation, die eine Vielfalt an Beziehungskonstellationen zur Verfügung hat. Es treffen die unterschiedlichsten Philosophien und Konzepte von Liebe aufeinander. Das Paar an Gegensätzen heißt Rebecca Hall und Scarlett Johansson. Sicherheit, Treue und Planbarkeit treffen auf Freiheit, Unentschiedenheit und Ausprobieren. Genauer genommen ist der Beziehungszirkus aber vor allem eines: Ein Film über den Einbruch der Leidenschaft in die Realität.
Die beiden Damen treffen auf Lebensgenießer und Chauvi-Charmeur Javier Bardem, dessen Liebeskonzept dem der Johansson natürlich näher steht. In der Dynamik der Liebe gefangen kommt es jedoch selbstverständlich auch zur Eruption der Emotionen zwischen der sonst stets kalkulierenden Hall und dem zwischen sensibler Lethargie und relaxtem Feuer changierenden Bardem. Und als man denkt man kenne nun die Geschichte taucht auch noch Penelope Cruz auf und bringt das Klischeebild des sich bis aufs Blut hassliebenden Künstlerpärchens auf.
Auch wenn Cruz allerorts als herausstechend über den Klee gelobt wird, ist gerade diese Episode vielleicht etwas zu viel des Guten. Die Beziehungsgeflechte sind zwar für die kaspernde Apparatur ganz nett, die grundlegende leichte Tragik der ewigen zwischenmenschlichen Probleme wird dadurch jedoch etwas desavouiert. Allens Barcelona-Trip ist trotz des lockeren Mundwerks nämlich durchaus nicht so angenehm, wie es die Temperaturen vermuten lassen könnten. Die ewigen Konflikte um die Vergänglichkeit der Liebe, um Unvereinbarkeiten, um den Dualismus Rationalität und emotionales Ausbrechen sind hier weitaus weniger banal abgearbeitet als es in gewöhnlichen Romantic Comedies der Fall ist. Und das liegt nicht an Allens Intellektualisieren des Ganzen. Es ist grundlegender, Allen lässt seine Figuren einfach machen, denken und erleben, so dass man ihnen sehr nah kommt.
Trotzdem stößt der Allen typische leichte Zynismus seltsam auf. Allen legt einen nüchternen Erzähler als Verbindungsstrick über seine Narrationsknäuel. Der schafft eine in diesem Fall unnötige Distanz, auf das wir ja merken, dass wir in einem Allen Film stecken. So ganz traut sich der Mann anscheinend immer noch nicht dem Gezeigten einfach den Platz einzuräumen, der ihm zusteht. Im Falle dieses ansonsten zwischen Verspieltheit und bitterem Ernst feinsinnig wechselnden Luststücks allerdings passt der übergezogene "tone" trotzdem hinein. Der Natürlichkeit der Erzählung sei Dank.
Über Zynismus und der Haltung eines Films gegenüber seinem Sujet musste man sich anno 1999 bei Sam Mendes suburbanen Zersetzungsdrama AMERICAN BEAUTY noch viele Gedanken machen. Knapp 10 Jahre später nahm sich der Engländer der Kritik scheinbar an und schlägt mit REVOLUTIONARY ROAD einen weitaus ernsteren Ton an. Die Verfilmung von Richard Yates Novelle nimmt sich mehr oder minder dem gleichen Thema wie Allens angeblicher Sommerluftikuss an: Der Gegenüberstellung eines sicheren, aber starren gegen ein ausbrechendes, aber risikoreichen Beziehungskonzeptes. Hier nun schmeißt uns der Film direkt in eine Ehe - die vorausgegangenen Bilder sind austauschbar. Auf Party kennen gelernt, etwas Smalltalk, humorige Wellenlängen, gemeinsame Träume, irgendwo dazwischen so eine vermutete Seelenverwandtschaft. Nach 5 Minuten sind wir aber bereits im neuen Eigenheim, 2 Kinder gibt es auch schon, wie der Film erst spät in einer denkwürdigen Szene offenbart (Die Kinder warten mit Mutti auf Papi mit der Geburtstagstorte - Papi kommt gerade heim vom beliebigen Fremdgehen mit einem Naivchen).
Kate Winslet ist die Mutter und Hausfrau und möchte ausbrechen. Allerdings: Mit ihrem Mann, mit dem es zwar zu krachen vermag, aber den sie dennoch immer noch liebt, vor allem mit dem Gedanken an die gemeinsamen Träume (Paris). Leonardo DiCaprio ist Bürotrottel und kommt auch sonst nicht sehr gut weg (Affäre, Schlappschwanz, Choleriker). Die Besetzung ist natürlich der ultimative Wink schlechthin. Nunmehr 11 Jahre nach der romantischen Fast-Vereinigung auf der TITANIC offenbart sich hier ein Morast an menschlichen Bündeleien, an ehelichen Automatismen, an Träumen die längst geplatzt sind. DiCaprio - so sehr ich ihn in den letzten Jahren als Schauspieler zu schätzen gelernt habe - passt vorne und hinten nicht. Die Winslet da schon weitaus mehr.
Mendes geht es wie schon in AMERICAN BEAUTY aber auch dezidiert um die Offenlegung eines puritanisch-spießigen Vorortamerikas, um tratschende Nachbarn und verdrängte Ängste einer hysterischen, auf Sicherheit getrimmten Generation (55 spielt der Film, also auch weitaus später als die Zuckerwatten-Romantik der TITANIC). Alle Figuren sehen stets bleich aus, den Frohsinn in die Welt tragend, während es drinnen düster ausschaut. Mendes lässt, anders als im Oscarabräumer 99, alles ungebrochen auf den Zuschauer los. Der Gestus eines Theaterstücks ist stets spürbar, die Schauspieler bestimmen das Tempo, ironische Anfälle finden sich nicht.
Das ist zwar ziemliches Oscar -Theater, aber doch recht gutes. Zu beanstanden gibt es nicht allzu viel, meines Erachtens empfand ich es lediglich als seltsam, wie hier die bereits vorhandenen Kinder praktisch durchgängig ausgespart werden. Ganz so als ob sie auf die Ehe, Familiengestaltung, und -atmosphäre rein gar keinen Einfluss hätten. Sollte das bewusst angelegt worden sein, verstehe ich es nicht. Ich vermute aber eher, das hier einige Szenen der Schere zum Opfer fielen und darunter vor allem die Ausgestaltung der Eltern-Kinder-Szenerie zu leiden hatte.
Kleine inhaltliche Patzer also, ansonsten aber lässt sich REVOLUTIONARY ROAD als Gegenstück bzw viel eher ungleicher Bruder von VICKY CRISTINA BARCELONA sehen. Einer, bei denen die Gedanken nicht ganz so wirbelig sprießen und schießen wie im Allen. Einer der die ganze Chose um Liebe, Leben, Leiden etwas tragischer nimmt. Einer, der dadurch vielleicht auch noch ein wenig mehr mitnimmt. Eigentlich tat dies aber das Sommerlustspiel trotz seiner humorigen Ansprüche ähnlich brachial. Das ist durchaus eine ziemliche Leistung.
Donnerstag, 18. Dezember 2008
Mittwoch, 17. Dezember 2008
Wolfsburg
Christian Petzold, Deutschland 2003
Bevor ein Regisseur die ruhmreichen Hallen des Wettbewerbs eines Arthouse-Festivals betreten darf, muss er sich seine Sporen verdienen. Mitunter auch gerne mal mit großen Filmen in Nebensektionen, einfach weil der "Name noch nicht groß genug ist". Christian Petzold - inzwischen mit Yella bei der Berlinale und Jerichow in Venedig reüssiert - hatte 2003 das Pech mit seinem überragenden WOLFSBURG ausgerechnet im seit Jahren darbenden Berlin in die Panorama-Sektion verschoben zu werden.
Bevor also Petzold in den Folgejahren in den mystisch-matten Osten weiterwandert verwandelt er die Autostadt in einen verklärten Ort. Viele Grundmotive sind schon hier - ein Autounfall als Katalysator der Geschichte, vorbelastete Beziehungen oder die Ruhe im Sturm, die Petzolds Filme seit jeher auszeichnen. Und doch das wichtigste Motiv der Folgefilme fehlt noch: Das Geld.
In WOLFSBURG fährt Yuppie Philipp das Kind von Arbeiterin Laura tot (Benno Fürmann und Nina Hoss - beide sehen wir auch in JERICHOW gemeinsam Seite an Seite). Philipp kommt mit seinem schlechten Gewissen nur mäßig zurecht und nähert sich Laura behutsam an, rettet sie gar vorm Selbstmord und verschafft ihr am Ende die nötige Karthasis.
Neben dem letzten Moment, dem die tiefe Tragik eines Shakespearschen Dramas innewohnt, der wie nach einer durchgemachten Nacht als Film nebenher läuft, der sich zuspitzte und nun implodiert - neben diesem brutalen Moment der Erkenntnis, der Rache und des Sühne, macht Petzold in seinem Film vor allem Eines: Er stellt vollkommen nüchtern und präzise zentrale Lebenseinbrüche - der Tod, der Verlust, die Trauer, die Schuld - alltäglichen Banalitäten gegenüber. Der Film überbetont die unterkühlte Beziehung zwischen Philipp und seiner Frau, es gibt Streitereien, einmal gar versteht sie sein Geständnis der Tat vollkommen falsch und denkt, er habe sie schlichtweg betrogen. Die Kommunikation ist am Ende, die Gefühle ausgestorben. Und dort drüben, am anderen Tischende sitzt jemand, der gerade alles verloren hat, der alle bösartigen Gefühlszustände durchleben muss, und mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen.
Wenn jedoch kein Geldmangel, -gier oder -not thematisiert wird, dann aber doch die Arbeitswelt. Die macht Laura in Form ihres eifersüchtigen Arschlochs von Chef nämlich auch zu schaffen, während Philipp Autos verkauft und sich von seinem Schwager täglich anhören muss, dass er doch bitte nicht die Schwester verletzen möge, sonst setzt's was. "Eine Kleinfamilie braucht Sicherheit im Wagen, also erzähl denen nicht was von Pferdestärken!"
Sicherheit und Halt hat hier keiner mehr, das Unumkehrbare ist geschehen und nun labt sich der Film am Kloß der ihm im Hals steckt. In die pure Depression getrieben, fühlt man sich wie übernächtigt und kann den karthatischen Moment nicht einmal mehr genießen. Das Motiv heißt hier Zerstörung. Ein wesentlicher Bestandteil menschlichen Lebens.
Bevor ein Regisseur die ruhmreichen Hallen des Wettbewerbs eines Arthouse-Festivals betreten darf, muss er sich seine Sporen verdienen. Mitunter auch gerne mal mit großen Filmen in Nebensektionen, einfach weil der "Name noch nicht groß genug ist". Christian Petzold - inzwischen mit Yella bei der Berlinale und Jerichow in Venedig reüssiert - hatte 2003 das Pech mit seinem überragenden WOLFSBURG ausgerechnet im seit Jahren darbenden Berlin in die Panorama-Sektion verschoben zu werden.
Bevor also Petzold in den Folgejahren in den mystisch-matten Osten weiterwandert verwandelt er die Autostadt in einen verklärten Ort. Viele Grundmotive sind schon hier - ein Autounfall als Katalysator der Geschichte, vorbelastete Beziehungen oder die Ruhe im Sturm, die Petzolds Filme seit jeher auszeichnen. Und doch das wichtigste Motiv der Folgefilme fehlt noch: Das Geld.
In WOLFSBURG fährt Yuppie Philipp das Kind von Arbeiterin Laura tot (Benno Fürmann und Nina Hoss - beide sehen wir auch in JERICHOW gemeinsam Seite an Seite). Philipp kommt mit seinem schlechten Gewissen nur mäßig zurecht und nähert sich Laura behutsam an, rettet sie gar vorm Selbstmord und verschafft ihr am Ende die nötige Karthasis.
Neben dem letzten Moment, dem die tiefe Tragik eines Shakespearschen Dramas innewohnt, der wie nach einer durchgemachten Nacht als Film nebenher läuft, der sich zuspitzte und nun implodiert - neben diesem brutalen Moment der Erkenntnis, der Rache und des Sühne, macht Petzold in seinem Film vor allem Eines: Er stellt vollkommen nüchtern und präzise zentrale Lebenseinbrüche - der Tod, der Verlust, die Trauer, die Schuld - alltäglichen Banalitäten gegenüber. Der Film überbetont die unterkühlte Beziehung zwischen Philipp und seiner Frau, es gibt Streitereien, einmal gar versteht sie sein Geständnis der Tat vollkommen falsch und denkt, er habe sie schlichtweg betrogen. Die Kommunikation ist am Ende, die Gefühle ausgestorben. Und dort drüben, am anderen Tischende sitzt jemand, der gerade alles verloren hat, der alle bösartigen Gefühlszustände durchleben muss, und mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen.
Wenn jedoch kein Geldmangel, -gier oder -not thematisiert wird, dann aber doch die Arbeitswelt. Die macht Laura in Form ihres eifersüchtigen Arschlochs von Chef nämlich auch zu schaffen, während Philipp Autos verkauft und sich von seinem Schwager täglich anhören muss, dass er doch bitte nicht die Schwester verletzen möge, sonst setzt's was. "Eine Kleinfamilie braucht Sicherheit im Wagen, also erzähl denen nicht was von Pferdestärken!"
Sicherheit und Halt hat hier keiner mehr, das Unumkehrbare ist geschehen und nun labt sich der Film am Kloß der ihm im Hals steckt. In die pure Depression getrieben, fühlt man sich wie übernächtigt und kann den karthatischen Moment nicht einmal mehr genießen. Das Motiv heißt hier Zerstörung. Ein wesentlicher Bestandteil menschlichen Lebens.
Labels:
Benno Fürmann,
Berliner Schule,
Christian Petzold,
Nina Hoss
The Warriors
Walter Hill, USA 1979
New York ist ein Dschungel. Kein Großstadtdschungel im klassischen Sinne, sondern eine Wildnis in einem grimmig-düsteres Alptraummärchen. Die U-Bahn-Schächte und Stahlkonstruktionen ersetzen die Pflanzen, das Graffiti der Straße nimmt sich der urbanen Transportmittel an, die abgefuckten Toiletten dienen als Handlungsorte. Es wird physisch, denn nur mit seinem Körpereinsatz kann man hier überleben.
In Walter Hills 79er Street Clash Reißer THE WARRIORS muss sich eine zu einer Gang zusammen getane, recht wenig homogene Horde Jugendlicher (schwarz, weiß und latino - entscheidend ist nur die Herkunft, nicht die Hautfarbe) einem Spießrutenlauf durch die Stadt New York unterziehen. Alle Gangs sollten geeinigt werden unter einem Führer, so der Ursprungsplan, doch schon in der Ermordung dieses Leaders verbreitet der Film seine Prämisse: Life's a struggle until ya die und jeder muss seinen eigenen Kampf austragen. Die Warriors sollen es gewesen sein, verbreiten tun das klassische Antagonisten, eine Horde homosexuell konnotierter YMCA-Hedonisten, die ihren Gewaltakt mit reinem Spaßgewinn rechtfertigen. Bevor sich unsere kühnen Recken jedoch diese Würstchen vornehmen können müssen sie der Reinfolge nach an Skins, Muttersöhnchen, Clockwork Orange Baseball Monstern, Kampflesben, Stadthillbillys und immer wieder an zuschlagenden Cops vorbei, die eine Art weitere Gang bilden. Jede Gang hat ein Territorium, alles abgeschnittene autarke Bereiche, Coney Island ist der Zielpunkt der Warriors, die Cops - so könnte man sagen - versuchen sich ganz New York unter den Nagel zu reißen.
Hill inszeniert seinen Kurzweiler ultraschnell, schön dreckig und on Point. Der treibende Score von Barry de Vorzon - und nicht nur der - erinnert eklatant an John Carpenters 3 Jahre zuvor erschienenes Straßenkampf-Meisterwerk Assault on Precinct 13, nur das diesmal die Guten eine Jugendgang ist, und die Cops nur eine weitere gesichtslose Masse an böswilligen Stolpersteinen darstellen. Wie die Frauen in dem Werk einzuordnen sind, wäre eine andere spannende Frage. Der Anführer der Warriors "händelt" eine auf dem Weg eingesammelte Latina - weist sie ab, kommt ihr näher. Eigentlich ist sie eine Schlampe, aber eine toughe. Das Gesellschaftmodell der heiligen Familie passt ihr nicht und sie nimmt sich was sie will. Der Mini-Antagonist in den eigenen Reihen wiederum wird beim Versuch der Vergewaltigung festgenommen - sein Opfer war ein weiblicher Zivilbulle. Die Lesbinnen, denen drei der Crew in die Fänge gehen, werden allerdings dann doch als bissige Kampfbitches eingeführt und schüren die Kastrationsangst. Überhaupt bleiben Frauen hier zumeist aushandelbares Objekt. Zwischen Mysogenie und starkem Frauenbild liegen manchmal nur Minuten.
THE WARRIORS scheint wie ein Jump'n'Run Spiel auszusehen, ist in seiner Konzentration auf Bewegung, Musik und Körper geradezu stilbildend und simpel zugleich. Wie ein bloßes Abfertigen von Plot Points sieht der Film zu keiner Zeit aus. Jede Konstruktion beinhaltet einen wichtigen weiteren Schritt, einen weiteren Initiationsritus - ob es die einfach zu besiegenden und leicht zu manipulierenden Muttersöhnchen der Orphans, dann die unmenschlich-monströs anmutenden Baseball Furys oder das unheimliche und sirenenhafte andere Geschlecht, die Lizzies (set an e for an i) sind - all die Wegpfeiler im Leben eines Jungen müssen genommen werden um am Ende bei Sonnenaufgang am Strand von Coney Island stehen und endlich frei atmen zu können. Heimaterde
New York ist ein Dschungel. Kein Großstadtdschungel im klassischen Sinne, sondern eine Wildnis in einem grimmig-düsteres Alptraummärchen. Die U-Bahn-Schächte und Stahlkonstruktionen ersetzen die Pflanzen, das Graffiti der Straße nimmt sich der urbanen Transportmittel an, die abgefuckten Toiletten dienen als Handlungsorte. Es wird physisch, denn nur mit seinem Körpereinsatz kann man hier überleben.
In Walter Hills 79er Street Clash Reißer THE WARRIORS muss sich eine zu einer Gang zusammen getane, recht wenig homogene Horde Jugendlicher (schwarz, weiß und latino - entscheidend ist nur die Herkunft, nicht die Hautfarbe) einem Spießrutenlauf durch die Stadt New York unterziehen. Alle Gangs sollten geeinigt werden unter einem Führer, so der Ursprungsplan, doch schon in der Ermordung dieses Leaders verbreitet der Film seine Prämisse: Life's a struggle until ya die und jeder muss seinen eigenen Kampf austragen. Die Warriors sollen es gewesen sein, verbreiten tun das klassische Antagonisten, eine Horde homosexuell konnotierter YMCA-Hedonisten, die ihren Gewaltakt mit reinem Spaßgewinn rechtfertigen. Bevor sich unsere kühnen Recken jedoch diese Würstchen vornehmen können müssen sie der Reinfolge nach an Skins, Muttersöhnchen, Clockwork Orange Baseball Monstern, Kampflesben, Stadthillbillys und immer wieder an zuschlagenden Cops vorbei, die eine Art weitere Gang bilden. Jede Gang hat ein Territorium, alles abgeschnittene autarke Bereiche, Coney Island ist der Zielpunkt der Warriors, die Cops - so könnte man sagen - versuchen sich ganz New York unter den Nagel zu reißen.
Hill inszeniert seinen Kurzweiler ultraschnell, schön dreckig und on Point. Der treibende Score von Barry de Vorzon - und nicht nur der - erinnert eklatant an John Carpenters 3 Jahre zuvor erschienenes Straßenkampf-Meisterwerk Assault on Precinct 13, nur das diesmal die Guten eine Jugendgang ist, und die Cops nur eine weitere gesichtslose Masse an böswilligen Stolpersteinen darstellen. Wie die Frauen in dem Werk einzuordnen sind, wäre eine andere spannende Frage. Der Anführer der Warriors "händelt" eine auf dem Weg eingesammelte Latina - weist sie ab, kommt ihr näher. Eigentlich ist sie eine Schlampe, aber eine toughe. Das Gesellschaftmodell der heiligen Familie passt ihr nicht und sie nimmt sich was sie will. Der Mini-Antagonist in den eigenen Reihen wiederum wird beim Versuch der Vergewaltigung festgenommen - sein Opfer war ein weiblicher Zivilbulle. Die Lesbinnen, denen drei der Crew in die Fänge gehen, werden allerdings dann doch als bissige Kampfbitches eingeführt und schüren die Kastrationsangst. Überhaupt bleiben Frauen hier zumeist aushandelbares Objekt. Zwischen Mysogenie und starkem Frauenbild liegen manchmal nur Minuten.
THE WARRIORS scheint wie ein Jump'n'Run Spiel auszusehen, ist in seiner Konzentration auf Bewegung, Musik und Körper geradezu stilbildend und simpel zugleich. Wie ein bloßes Abfertigen von Plot Points sieht der Film zu keiner Zeit aus. Jede Konstruktion beinhaltet einen wichtigen weiteren Schritt, einen weiteren Initiationsritus - ob es die einfach zu besiegenden und leicht zu manipulierenden Muttersöhnchen der Orphans, dann die unmenschlich-monströs anmutenden Baseball Furys oder das unheimliche und sirenenhafte andere Geschlecht, die Lizzies (set an e for an i) sind - all die Wegpfeiler im Leben eines Jungen müssen genommen werden um am Ende bei Sonnenaufgang am Strand von Coney Island stehen und endlich frei atmen zu können. Heimaterde
Freitag, 12. Dezember 2008
Waltz with Bashir
Ari Folman, Israel/Deutschland/Frankreich/USA 2008
Was ist Vorgabe, was ist Nachinterpretation? Was ist Rekonstruktion, was ist filmische Konstruiertheit? Bei keinem Film war das dieses Jahr so schwer auseinander zu halten wie bei WALTZ WITH BASHIR. Die Prämisse ist simpel: Ein israelischer Regisseur macht sich auf die Suche nach seiner Erinnerung an die Teilnahme im Libanon-Krieg 82. Er befragt Freunde, rekonstruiert ihre Geschichten per Animation, einerseits um Distanz für die Protagonisten, andererseits auch für die Zuschauer zu schaffen. Alles wird wiedergegeben. Auch Träume oder von Psychologen erzählte Verhaltensmuster und Geschichten.
Das Paradoxon am Film ist nun, inwiefern diese "Tatsachenberichte", diese subjektiven Dokumentationen echter Personen sich abgrenzen lassen zum Gestus und Habitus des Films. Denn WALTZ WITH BASHIR ist geschickt berechnet. Er zieht uns schon frühzeitig hinein in einen depressiven Sog, lässt uns Angstzustände und alptraumhafte Kurzepisoden durchleben. Viel Musik (v.a. von Max Richter) dient der Erhöhung der düsteren Anspannung. Schnell wird klar, dass WALTZ keinerlei wertfreie Dokumentation über die "Wiedererlangung einer Erinnerung" ist, sondern eine trüb-subjektive Färbung als Grundelement in seiner Zusammensetzung enthält. Noch genauer genommen: WALTZ spielt sehr bewusst mit seiner nach dem Muster der An- und Entspannung gesetzten Taktung von nüchternen Erzählungen und Stimmungsbildern.
Diese für den Film nur allzu effektive Strukturierung wird dann problematisch, wenn man Ari Folmans Erzählung für bare Münze nimmt. Nach den Strukturen des Films "entdeckt" Folman seine Erinnerung nach und nach. Nur so entsteht eine Dramaturgie, die den Zuschauer zum Mitentdecker macht, nur so ist eine emotionale Zuspitzung möglich, die am Ende - logischerweise - zu den "echten" Nachrichtenbildern führen muss, und damit den Endpunkt der Erinnerungswiederfindung, sowie den Endpunkt der tragischen Erzählung finden kann. Es sind die gleichen Nachrichtenbilder, die objektiv längst vorgelegen haben, lange vor der Planung des Films.
Als Platzhalter für die Entdeckung, die Folman nicht von alleine machen konnte, hält übrigens ein israelischer Reporter her, der tatsächlich als ein den Kugelhagel tapfer durchwandernder Heroe eingeführt wird. Eine der vielen pathetischen Szenen, die manchem zynisch aufgestoßen sind. Diverse Kriegsfolklore (saubererweise immer mit negativem Einschlag) werden angestimmt, es wird Waltzer auf dem Parkett des Todes getanzt.
Aber all das macht Folmans Film eigentlich auch nur so gut. Er ist waghalsig, kritisch, lässt nichts aus zugunsten einer einwandfreien Darstellung. WALTZ WITH BASHIR schafft es sich einer politischen Tragödie riesigen Ausmaßes mit der einzig adäquaten Methode zu nähern - mit dem subjektiven Blick. Der Film steckt voller Nostalgie, voller Zeitkolorit, er erschafft empathische Bilder, die trotz ihres überschwänglichen Pathos äußerst ehrlich wirken. Überhaupt ist diese grobkantige Animation schon deshalb ein voller Zugewinn weil sie Bilder erschafft, die hängen bleiben, und davon nicht wenige. Keine Szene ist hier zuviel, jede Emotionssteuerung funktioniert. WALTZ ist ein Film, der einen hineinzieht und am Ende zielgerichtet erschüttert. Mag sich der Eine oder Andere vorgeführt vorkommen wegen falscher Prämissen oder erzwungener Strukturen - WALTZ ist ein Antikriegsfilm der neuen Wege, oder - um am Ende nochmal platt zu werden - die Fortführung des in den letzten Jahren fast eingeschlafenen Antikriegsfilms mit anderen Mitteln.
Was ist Vorgabe, was ist Nachinterpretation? Was ist Rekonstruktion, was ist filmische Konstruiertheit? Bei keinem Film war das dieses Jahr so schwer auseinander zu halten wie bei WALTZ WITH BASHIR. Die Prämisse ist simpel: Ein israelischer Regisseur macht sich auf die Suche nach seiner Erinnerung an die Teilnahme im Libanon-Krieg 82. Er befragt Freunde, rekonstruiert ihre Geschichten per Animation, einerseits um Distanz für die Protagonisten, andererseits auch für die Zuschauer zu schaffen. Alles wird wiedergegeben. Auch Träume oder von Psychologen erzählte Verhaltensmuster und Geschichten.
Das Paradoxon am Film ist nun, inwiefern diese "Tatsachenberichte", diese subjektiven Dokumentationen echter Personen sich abgrenzen lassen zum Gestus und Habitus des Films. Denn WALTZ WITH BASHIR ist geschickt berechnet. Er zieht uns schon frühzeitig hinein in einen depressiven Sog, lässt uns Angstzustände und alptraumhafte Kurzepisoden durchleben. Viel Musik (v.a. von Max Richter) dient der Erhöhung der düsteren Anspannung. Schnell wird klar, dass WALTZ keinerlei wertfreie Dokumentation über die "Wiedererlangung einer Erinnerung" ist, sondern eine trüb-subjektive Färbung als Grundelement in seiner Zusammensetzung enthält. Noch genauer genommen: WALTZ spielt sehr bewusst mit seiner nach dem Muster der An- und Entspannung gesetzten Taktung von nüchternen Erzählungen und Stimmungsbildern.
Diese für den Film nur allzu effektive Strukturierung wird dann problematisch, wenn man Ari Folmans Erzählung für bare Münze nimmt. Nach den Strukturen des Films "entdeckt" Folman seine Erinnerung nach und nach. Nur so entsteht eine Dramaturgie, die den Zuschauer zum Mitentdecker macht, nur so ist eine emotionale Zuspitzung möglich, die am Ende - logischerweise - zu den "echten" Nachrichtenbildern führen muss, und damit den Endpunkt der Erinnerungswiederfindung, sowie den Endpunkt der tragischen Erzählung finden kann. Es sind die gleichen Nachrichtenbilder, die objektiv längst vorgelegen haben, lange vor der Planung des Films.
Als Platzhalter für die Entdeckung, die Folman nicht von alleine machen konnte, hält übrigens ein israelischer Reporter her, der tatsächlich als ein den Kugelhagel tapfer durchwandernder Heroe eingeführt wird. Eine der vielen pathetischen Szenen, die manchem zynisch aufgestoßen sind. Diverse Kriegsfolklore (saubererweise immer mit negativem Einschlag) werden angestimmt, es wird Waltzer auf dem Parkett des Todes getanzt.
Aber all das macht Folmans Film eigentlich auch nur so gut. Er ist waghalsig, kritisch, lässt nichts aus zugunsten einer einwandfreien Darstellung. WALTZ WITH BASHIR schafft es sich einer politischen Tragödie riesigen Ausmaßes mit der einzig adäquaten Methode zu nähern - mit dem subjektiven Blick. Der Film steckt voller Nostalgie, voller Zeitkolorit, er erschafft empathische Bilder, die trotz ihres überschwänglichen Pathos äußerst ehrlich wirken. Überhaupt ist diese grobkantige Animation schon deshalb ein voller Zugewinn weil sie Bilder erschafft, die hängen bleiben, und davon nicht wenige. Keine Szene ist hier zuviel, jede Emotionssteuerung funktioniert. WALTZ ist ein Film, der einen hineinzieht und am Ende zielgerichtet erschüttert. Mag sich der Eine oder Andere vorgeführt vorkommen wegen falscher Prämissen oder erzwungener Strukturen - WALTZ ist ein Antikriegsfilm der neuen Wege, oder - um am Ende nochmal platt zu werden - die Fortführung des in den letzten Jahren fast eingeschlafenen Antikriegsfilms mit anderen Mitteln.
Abonnieren
Posts (Atom)