Mittwoch, 30. April 2008

Speed Racer

Larry & Andy Wachowski, USA 2008
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1.) Zunächst einmal ist SPEED RACER ein Bilderbogen, ein Kinderbuch und ein kraftvoller Wechsel der Wachowskis vom düsteren, abgedunkelten Szenario der MATRIX-Filme in eine kunterbunte, durchgestylte Traumwelt. Bester Beweis dafür, dass der Film zumindest zum Teil auch konzipiert wurde, um das sehr junge Publikum anzusprechen, ist der junge Bruder, der - wenn auch nicht explizit - als Erzähler ausgewählt wird. Er und sein Affe sind überhöht infantil, überpräsent und fast so Stück weit Slapstick für Kids.

Hin und wieder wird SPEED RACER sogar zu einem Plädoyer für den Kinderblick. Selten sentimental kann er dann Akzente setzen, gezeichnete Fantasien aufleben lassen. Im Großen und Ganzen aber bleibt der Film allerdings reines Spektakelkino - für Kinder wie Erwachsene.

2.) In ausgefeilter Manier schaffen es die Wachowskis in einem Akt von Überaffirmation im Visuellen, auf Handlungsebene eine unverhohlene Kapitalismuskritik auszuformulieren. Der Figur des Amerikaners, der sein Imperium "aus dem Keller heraus" aufgebaut hat, bleibt zumindest für einen Moment der Weg offen gelassen, auch "gutartig" zu sein. Nach kurzer Unsicherheitsphase dauert es nicht lang und der Film deckt seine Strategie des "in diesem System ist Menschlichkeit nicht möglich" auf. Als bösartiger Tumor stellt sich der Kapitalist heraus. Roger Allams Ikonografie als Bösewicht freilich weist auf diesen Weg schon frühzeitig hin.

3.) Das Stichwort ist schon gefallen: "System-Paranoia". Ähnlich dem Großen und Ganzen der Matrix, in dem der Mensch gefangen gehalten wird, ist auch die Welt in SPEED RACER eine des Scheins. In den bunten Plastikbildern, die in ihrer Dynamik zumeist affirmativ wirken, steckt der Zeitgeist, die Ideologie des 20 Jahrhunderts, transformiert auf diese Zukunftswelt. Der Perfektionismus der in der Maschinerie des Kapitalisten sogar in einer Sequenz ausführlich bebildert wird, das Verführerische und der Zynismus, sie alle bekommen ihre Stellen im Film. Die Wachowskis achten penibel darauf, die Systemkritik sichtbar zu machen und auf eine auch für die Handlung wichtige Ebene zu hieven. Der perfekte Anachronismus. Spektakel und Kritik im Einklang des Widersprüchlichen.

4.) Und doch bleibt SPEED RACER - da ist er ganz Familienfilm - in der Affektstruktur ganz konservativ. Die Familie ist verwachsen und das ist auch gut so. Werte und Normen des Zusammenlebens sind die Fixpunkte, an der dieser Film seine Moral aufhängt. Familie hält zusammen und geht auch durch schwere (ideologische) Zeiten. Dem entsprechend bricht sich die Hoffnung am Ende auch übermäßig den Bahn. Der geschärfte Blick ist gut, Family values sind wichtiger.

Dienstag, 29. April 2008

Terror's Advocate

Barbet Schroeder, Frankreich 2007
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| Barbet Schroeders Interview-Collage L' AVOCAT DE LA TERREUR über den französischen Strafverteidiger Jacques Vergès, der angefangen mit algerischen Bombenattentätern über afrikanische Diktatoren bishin zum "Schlächter von Lyon" Klaus Barbie so einige fragwürdige Persönlichkeiten verteidigt hat, zeigt sich als redseliges, aber in seiner Unübersichtlichkeit verworrenes Knäuel. Eventuell finden sich im Werk Schroeders eine Menge dieser Motivlinien, die auf Uneindeutigkeiten im politischen Bezug verweisen. Die Doku scheint fast daran zu verzweifeln das Phänomen Vergès nicht erklärbar, ja nicht einmal wirklich sichtbar machen zu können. Formal kommt der Zuschauer irgendwann nicht mehr mit und sitzt nur noch ungläubig da, angesichts dieser Masse an verschiedenen Wendungen, Verstrickungen und Leerstellen im Leben dieses unglaublich überheblichen Narzissten, die in den auch noch durcheinander montierten Interview-Ausschnitten zusehends irritieren. Eigentlich sind lediglich die Interview-Momente mit dem Protagonisten selbst so wirklich aufschlussreich. Und diese betrüben ziemlich. An ein Aufdröseln von politisch ideologisierten und motivierten Momenten ist da gar nicht mehr zu denken.

Sonntag, 27. April 2008

Shortys April 2008

Erschreckend, wofür Al Pacino sich hergibt. 88 Minutes wurde trotz Staraufgebots nicht zu Unrecht fast verschwiegen auf DVD veröffentlicht, ohne jemals die Dunkelheit eines Kinosaals genießen zu dürfen. Drehbuch und Inszenierung bewegen sich auf einem dermaßen tiefen Level, dass einem während des Films ganz schwindelig wird. Die Übeltäter müssen hier benannt werden, um sich vor ihnen in Zukunft schützen zu können: Regisseur Jon Avnet und Bary Scott Thompson (Schreiberling von Großkunst wie The Fast and the Furious oder Hollow Man II und Timecop 2) tun sich hier selbst keinen Gefallen, weil sich solche Stümper damit wohl für immer disqualifizieren müssten. Inkohärenz ist für 88 MINUTES nicht einfach nur ein Wort, es ist sein formalästhetisches Anliegen. Den Überblick verloren, selbstvergessen und hysterisch konstruiert der Film eine dermaßen unglaubwürdige und lächerliche Geschichte, dass ich hier die Frage noch einmal stellen muss: Wofür gibt sich Al Pacino eigentlich alles so her?

Deutsches Kino möchte manchmal gerne sein wie nationale Cinematografien, die sich auch so nennen dürfen. Antikörper (2005) von Christian Alvart würde z.B. gerne Finchers Seven entsprechen und suhlt sich geradzu im modernistisch-zynischen Dekor. Kalt und berechnend steht die Großstadt der ländlichen Unschuld gegenüber. Wenn das Endkapitel dann vollkommen vom Bibelsprüche predigenden Off-Erzähler bedeckt wird, weiß man überhaupt nicht mehr, wie ernst, kritisch oder verkitscht dies alles gemeint sein soll.

Wo vernarrter deutscher Kunstwillen und der Anspruch an opulent-affektivem Melodram hinführt, zeigt eindrucksvoll und immer wieder Tom Tykwer aufs Neue. Sein Winterschläfervon 1997 übt sich im Traumhaften, als sei Kino immer Märchenstunde, Sucht nach technischer Finesse, virtuose Tanzeinlage oder pathetischer Kitsch. Tykwer hat es und wird es wohl nie verstehen.

Noch einen Zacken schlimmer ist Kalt ist der Abendhauch(2000) von Rainer Kaufmann. Zwischen Nazigräuelkitsch und deutscher Beziehungskomödie kommt das Fremdschämen in Mode.

Freitag, 25. April 2008

Lieblingsfilme des Jahres 2007

Liebe auf den ersten Blick - Von der ersten bis zur letzten Sekunde hypnotisiert
The Living and the Dead (Rumley)
Into the Wild /2 (Penn)
The Proposition (Hillcoat)
Gegenüber (Bonny)
Scanners (Cronenberg)

Liebe auf den zweiten Blick - Kino als Reflektionsort, intellektuelle Konstrukte, nüchterne Meisterwerke
Rosetta (Dardenne)
Blind Mountain (Li)
Yella (Petzold)
Birth (Glazer)
Gone Baby Gone (Affleck)
Kairo (Kurosawa)
L'Enfant (Dardenne)
Caché (Haneke)
Das Zimmer meines Sohnes (Moretti)

"love to listen to the old stories" - Wieder- und Neuentdecktes
Miami Vice (Season 1)/Miami Vice: Brothers Keeper (Yerkovich/Mann/Nicolella)
Scarface (De Palma)
The Graduate (Nichols)
Shoeshine (De Sica)
3:10 To Yuma (Daves)
Who's Afraid of Virginia Woolf? (Nichols)
The Man Who Shot Liberty Valance (Ford)
The Exorcist (Friedkin)
A Dog's Life (Chaplin)
Riten (Bergman)
Simón del desierto (Buñuel)

Genreliebhaber - gradlinig, düster bis spaßig, innovativ
Grindhouse: Planet Terror (Rodriguez)
Grindhouse: Death Proof (Tarantino)
Stuck (Gordon)
WAZ (Shankland)
Cannibal Holocaust (Deodato)
Sunshine (Boyle)
28 Weeks Later (Fresnadillo)
3:10 To Yuma (Mangold)
Jeepers Creepers (Salva)
La Hora fría (Quiroga)
The Bourne Ultimatum (Greengrass)

Big Names - Erwartet Erfreuliches
O Brother, Where Art Thou? (Coen)
Eastern Promises (Cronenberg)
My Blueberry Nights (Wong)
The Assassination of Richard Nixon (Mueller)
Bobby (Estevez)
Michael Clayton (Gilroy)

Cineastenparadies - Festivallieblinge
Dreams Of Dust (Salgues)
4 Months, 3 Weeks and 2 Days (Mungiu)
Import/Export (Seidl)

American Independents
The Savages (Jenkins)
Teeth (Lichtenstein)
The Squid and the Whale (Baumbach)