Donnerstag, 21. Februar 2008

58. Filmfestspiele Berlin 2008 - Kategorienfehler und Sektionismus

Wenn im Nachhinein über die Berlinale geredet wird sprechen alle gerne davon, dass der Wettbewerb ja wieder einmal blöd war - nicht selten einem Stil ähnlich klingend, der sich in Ressentiments gegen "das Hollywood-Kino" erschöpft. Passend dazu klärte auch ein täglich an allen Ecken und Enden ausgeteiltes Lifestyle-Magazin (Welches war es doch gleich?) den Berlinale-Gast frisch aus dem Kinosaal kommend auf: "Der Wettbewerb ist die Sektion, in der große, internationale Filmproduktionen, die später ins Kino kommen, gezeigt werden." Da nehmen sich dann die Vanity Fair (?) und der kunstbeflissene Filmfreund nicht mehr viel in der gemeinsamen Argumentation.

Schaue ich mir nun den Wettbewerb an, muss ich mich doch wundern. Lance Hammers BALLAST soll im Kino laufen? Wang Xiaoshuais ZUO YOU ist Mainstream-kompatible Massenware? Fernando Eimbckes LAKE TAHOE ist eine internationale Großproduktion?

Fakt ist doch, dass der Übergang der Sektionen qualitativ größtenteils recht beliebig ist. BALLAST hätte durchaus auch ins junge Forum gepasst. Das deutsche FEUERHERZ lief als "Cross-Section" Beitrag auch im Generationen-Programm. Der finnische MUSTA JÄÄ hätte auch bestens im öffentlich-rechtliche Fernsehen einen Platz haben können, ohne je von Kinoleinwänden gestreut werden zu müssen.

Kritikwürdig ist sicherlich der Punkt, dass die Entscheidungen für den Wettbewerb fast ausschließlich politische Natur sind. Alle Länder, alle Flaggen, möglichst breite Themenvielfalt, wenn's geht immer mit poltischem Einschlag. Große Namen sind gerne gesehen, Altstars wird gehuldigt, hübsche Damen vergrault man nicht in Nebensektionen. Alles durchaus sinnvoll angebrachte Kritik. Mit einem "der Wettbewerb ist doch langweilig/kommerziell/Mainstream" oder sonstwas ist es aber nicht getan.

Wenn fein gegen den Wettbewerb polemisiert wird, vergisst man nie, das Panorama und das Forum zu loben. Es stimmt vollkommen, hier positive Bemerkungen anzubringen, jedoch Überschätzungen sind noch keinem Film gut bekommen.

Das Panorama ist vor allem ein Ort des "Diversen" - Diverse Genres, diverse Stars, diverse Bodenlosigkeiten. Der Gangsterfilm JERUSALEMA von Ralph Ziman beispielsweise ist ein furchtbarer AMERICAN GANGSTER auf südafrikanisch. Ein klischeebelasteter B-Flick der affirmativ-unterhaltsamen Sorte. Negativ hervor stach auch Alex Riveras US-Mexikanischer SLEEP DEALER, der sich in dilettantischer, ernst nehmender Moralsoße als banales, politisches Manifest verstand. Dabei ist er nichts weiter als eine Science-Fiction-Love-Story mit sozialem Einschlag in der Optik der Power Rangers. Ein offensichtliches Desaster war auch die Vorführung von 3 DÍAS/BEFORE THE FALL vom Spanier F. Javier Gutiérrez. Vor grummeligem postapokalyptischen Hintergrund entspinnt sich zur Überraschung (und Ärger) des Zuschauers ein Serienmörder-Thriller, der ein ums andere Mal Haken schlägt und damit sein Publikum verliert. Der Clou des Films ist dann sein überzeichnetes Happy End im Angesicht des Weltuntergangs. Es setzte einige Buhrufe aus den Sesselreihen.

Die hätte es auch geben können beim spanischen Gruselfilmchen ESKALOFRÍO von Isidro Ortiz. Doch ehe man den Film als harmlose, konventionelle Variante des spanischen Geisterhausfilm liest, eröffnet sich von Seiten des Films (sicher aber nicht der Macher) glücklicherweise die Möglichkeit SHIVER als Trash abzufeiern. Die abstrus hingerotzte Idee des Wolfsmädchens im verknebelt konstruierten Grundgerüst, brachte die Berlinale-Kinoreihen zum herzlichen Schmunzeln.

Der - den Madonna-Schwachsinn mal abgesehen - meist erwartetste Film war sicherlich die internationale Co-Produktion TRANSSIBERIAN von Brad Anderson (Session 9). Er inszeniert eine durchweg schön anzusehende Geschichte, versucht sich als Hitchcock und auch ein kleiner Kulturclash liegt Zeitgeist atmend in der Luft. Das Ende jedoch - Andersons Fehler bleibt weiterhin der Zwang zur Pointe - könnte kaum banaler sein. Nach so etwas kann der geneigte Zuschauer trotz Mitfieberns und guter Miene nach 100 Minuten nur enttäuscht sein. Das Werk war zwar im Vergleich zu vielen anderen Genrebeiträgen sicherlich lange nicht so schlecht, doch aber eine nicht zu Ende gedachte Frechheit. Da wird dann schnell klar, warum der Film trotz Woody Harrelson, Ben Kingsley und Emily Mortimer nicht im Wettbewerb lief.

Wenn man - begrüßenswerter Weise - Genreware ins Arthouse-Festival holt sollte sie doch wenigstens den Mindestansprüchen genügen. Die Verantwortlichen tun sich keinen Gefallen mit Bodenhaftung zu prahlen, den Blick zu öffnen und dann qualitativ miese Produktionen zu programmieren und Jahr für Jahr schlechten Geschmack zu beweisen. Das Fantasy Filmfest würde sich bei den genannten Filmen jedenfalls milde lächelnd wegdrehen - es sei denn, sie haben noch einen Counterpart im 23:30 Uhr Slot übrig, für den sie partout keinen Lückenfüller finden können.

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