Sand vs Schilf
Hier die Sandbank, der Sandsturm, das Sandgrab. Dort die Schilffestung, das Schilflabyrinth, das Schilfgrab. Hier ein urbaner Forscher, der gefangen gehalten wird, der in Interaktion mit der einzigen Person - einer Frau - treten muss. Einer, der in Tradition und Konservativismus der Landbevölkerung untergeht und Halt findet. Dort zwei Frauen, alt und jung. Dann das Begehren des stürmischen Dritten, eines Mannes. Dort auch viel Tod, viel Leiden, Mord, Kannibalismus, Krieg. The Woman of the Dunes und Onibaba, des Menschen Tragödie im Schatten der Natur.
Es ist und bleibt ein grundlegendes Problem der Literaturverfilmungen. Und dies gilt auch für einen Klassiker wie Woman in the Dunes. Die Verfilmung schafft es selten die Vorlage wiederzugeben. Oder - was eigentlich noch viel wünschenswerter wäre - ihr etwas Neues hinzuzufügen, oder sie gar umzuformulieren, zu interpretieren, zu modellieren. Hiroshi Teshigahara schuf im Jahre 1964 ein Stück existenzialistisches Kino, ein minimalistisches Schwarz-Weiß-Spektakel nach Kôbô Abes Literaturklassiker, heutzutage Pflichtlektüre bei Japanologen. Die Bildwerdung der Sprache ist das Eine, durchaus Gelungene. Das Zweite ist die Essenz, die der Film vor allem in den letzten Zeilen transportieren kann. Dann sind da aber noch die Leerstellen, und hier fängt es an schwierig zu werden. Meine beiden Japan-affinen Mitgucker pflichteten bei, dass der Film ohne Kenntnis der Vorlage schwer zu fassen ist. Die radikale Zusammenkürzung des Geschriebenen treibt den Zuschauer stets aus dem Bann der Bilder. Was bleibt ist - trotz dem Eingeständnis der existenzialistischen Schönheit - ein Zweifel am Genre der Literaturverfilmung. Mal wieder.
Ein anderer Schnack: Kaneto Shindôs Onibaba aus dem gleichen Jahr. In Vielem gleichen sich der Teshigahara und der Shindô. Der Minimalismus, der Schrei nach Existenzialismus, die Bildpalette, das Thema der menschliche Auswegslosigkeit. Und doch ist Onibaba ein anderes Kaliber. Das liegt an der Konzentration ganz auf den Film. Man merkt dem Werk jederzeit seine Dynamik an, seinen Sturm und Drang nach dem Fühlen der Bilder. So schön sie auch bei Woman in the Dunes sein mögen, in Onibaba haben sie Präzision, Präsenz, sie haben Genregedankenfetzen, sehr viel Naturverständnis als Koppelung ans menschliche Erleben.
Onibaba bewegt sich in paradoxen Welten. An sich ist der Film frischer, lebendiger, zielstrebiger und viel genreorientierter als sein Gegenüber. Und doch ist er auch der Düstere, Atmosphärischere, Affektbesetztere. Den tiefen Pessismus haben beide zum Freund, doch nur Onibaba vermag der Finsternis Ausdruck verleihen. Am Ende ist's - wie immer - schwer und unnötig, hier gegeneinander abzuwiegen.