Mittwoch, 23. Juli 2008

The Art of Negative Thinking

Bård Breien, Norwegen 2006
Die skandinavische Satire ist im Allgemeinen meist zu verspielt, zu sehr aufs Skurrile schielend und übermotiviert. Bård Breien nun macht in seiner Abhandlung über einen "humanen Zynismus" weitgehend alles richtig, was die Kollegen nur allzu gerne falsch machten. DIE KUNST DES NEGATIVEN DENKENS ist zunächst einmal nicht sonderlich "humorig" oder "witzig" - der Film weiß um sein Thema, weiß um das Ausmaß der Tragik und macht dies zum Ausgangspunkt.

Wieviel schwarzer Humor ist zulässig? Die Antwort: Eine Grenze kann es nicht geben. Die überhöhten Einzelschicksale der dargestellten Gruppe (Körperlähmungen und Depressionen) lassen einen gepflegten, gesellschaftlichen Umgang nicht mehr zu. Es entsteht sogar eine kurze Anti-Bewegung gegen das perfekte Ideal, dass im System bei der gestylten Werbekampagne genauso zum Ausdruck kommt wie im New-Age-Positive-Thinking-Wahnsinn. Leben ist Krieg - unser Protagonist schaut den ganzen Tag Kriegsklassiker von APOCALYPSE NOW bis THE DEER HUNTER - ein Urzustand des Krieges, der Wahnsinn, überträgt sich beim "nicht mehr fassen können" des eigenen Lebenszustandes. Die zerstörte Wohnung und der Alkoholexzess zeugen von der Übermacht, die einen Menschen ergreifen kann - so stark oder labil er sein mag.

Am Ende knickt der Film in seiner eigenen Courage ein. Keine Selbstmorde, keine Toten, sondern die Liebe steht im Endbild. Das wirkt nach 75 konsequenten Minuten wie ein Dramaturgiezwang und lässt den Film dennoch nicht in einem allzu schlechten Licht erscheinen. Breiens Abrechnung mit dem Menschen, der denkt, er könne alles bewältigen hat zu diesem Zeitpunkt schon längst gewonnen.

Dienstag, 22. Juli 2008

The X-Files: I Want to Believe

Chris Carter, USA 2008
Im Spannungsfeld der gewohnten Akte X Mystery greift der zweite Langfilm wieder das Grundmotiv der Triebfedern des Dualismus Glaube/Wissen, Übernatürliches/Wissenschaft auf. Trotzdem gehen die X-Files diesmal nicht über einen Hellseher hinaus. Keine Aliens mehr, keine Monster, auch keine Verschwörung. Stattdessen mehr Fokus auf das Paar Mulder/Scully und eine fast harmlos konventionelle Krimigeschichte. Ansehnlich, aber bei Weitem kein großer Wurf.

Dienstag, 15. Juli 2008

The Dead Girl

Karen Moncrieff, USA 2006
Der angenehme, leise Charakter des Films, und seine Intention ein "menschliches Porträt" einer aus Klischees und Vorurteilen geschusterten Toten zeichnen zu wollen lassen ihm trotz der offensichtlichen Längen, die er mit sich bringt durchaus Respekt zuteil werden. 5 Episoden um 6 starke Frauen, die mit dem Tod der Prostituierten (Brittany Murphy) mittel- oder unmittelbar zu tun hatten verleihen The Dead Girl eine Struktur, die sich vielleicht am Besten mit "feminitischer Kurzfilmkompilation" beschreiben lässt. Das zurückhaltende Sozialethos, welches der Film dabei stets transportiert lässt ihn übergreifend funktionieren. Er endet im Angesicht des schockierenden Moment, ganz still und starr. Sein Clou dabei: Es gibt keinen Plottwist. Nur die Stille und Antizipation des Zuschauers...

Montag, 14. Juli 2008

Manufacturing Dissent

Rick Caine/Debby Melnyk, Kanada 2007
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Die Dokumentation, die einzig und allein zur Diffamierung Michael Moores entstanden ist entpuppt sich als Lächerlichkeit und Frechheit gleichermaßen. Nicht unbedingt, weil Moore attackiert wird (das geschieht schließlich nicht grundlos und hat grundlegend seine Berechtigung), sondern weil das Publikum mit Halbgarem und längst Bekannten 90 Minuten hingehalten wird eine angeblich investigative Reportage zu sehen zu bekommen.

Dabei machen Rick Caine und Debbie Melnyk schlichtweg den gleichen Fehler, den sie Moore vorwerfen. Aus Eitelkeiten und persönlicher Kränkung entsteht diese Doku, die angeblich einmal aus dem Filmemacher positiv gesonnenen Gründen ins Leben gerufen wurde. Moore stand dem anscheinend skeptisch gegenüber und kapselte sich ab. Das ist nun so schrecklich, dass Caine und Melnyk ihm seitdem permanent hinterherlaufen und "Freiheitseinschränkung" schreien. Dabei stellen sie selbst ein Filmfestival aus dem konservativen Lager vor, dass Anti-Moore-Filme dreht. Der Mann hat allen Grund jeder Kamera skeptisch gegenüberzustehen.

Aprospos konservative Stimmen: Mit denen weiß die Doku nicht umzugehen. Sammelt sie doch nur allzu gerne Argumente gegen Moore, gerät die eine oder andere Person hier aber zur Lachnummer. Als linke Filmemacher, als die sich Caine und Melnyk hier proklamieren, geht der Schuss gegen Moore nur allzu häufig nach hinten los. Sie stürzen sich wie Wölfe auf einzelne Details, die Moore verdreht hätte (wahrlich nichts Neues, er räumt es ja selber auch ein), sehen hinter ihm einen "bösen Menschen" und bekräftigen dies mit irgendwelchen, beliebig gewählten Stimmen, die ihn eben so sehen. Nichts davon überzeugend, alles ziemlich blindlinks zusammengetragen. In den "Deleted Scenes" entdeckt man dann auch Montagen, in denen er als Kind bei den Pfadfindern Süßigkeiten versteckt habe und aus denen der gemeine Zuschauer anscheinend schlussfolgern sollte: Siehste mal an, der Moore ist ein ganz linker Hund!

Auch wenn solch Schwachsinn am Ende der Schere zum Opfer fiel, ist sie doch aussagekräftig genug für die Ambitionen der gesamten Films. Die Doku dient zu nichts Anderem als der Diffamierung der Figur Moore, was spätestens ein der DVD angefügtes Interview mit verschiedenen Personen aufzeigt, in welchem Moore ohne Argumentation komplett verhöhnt und beleidigt wird. Bei der Masse an Anti-Moore-Propaganda kann man da schnell auf Ideen kommen und tatsächlich ragt diese Doku nur dadurch heraus, das sie vorgibt aus linker Perspektive entstanden zu sein. Ihr kommerzieller Erfolgszug und die ihnen zuteil gewordene Aufmerksamkeit zeigt nur ein Symptom auf, das unlängst bei Moore offen liegt - und auch in MANUFACTURING DISSENT wie ein investigativ recherchierter Fakt zutage getragen wird.

Sonntag, 13. Juli 2008

Rendition

Machtlos
Gavin Hood, USA/Südafrika 2007
Vielleicht kann Hollywood stolz sein auf einen Film wie diesen. Der sich bemüht, versucht ausgeglichen Positionen abzuwägen, der sein Affektkino zielgerichtet steuert und seinen narrativen Trick eben für den maximalen Effekt im Affekt ausnützt. Der Themenkomplex der Dekade - Terrorismus, Guantanamo, Freiheit, Rechtsstaat, Folter - gießt der Film in eine Form um darüber zu debattieren. Nun ja, eine Debatte ist das Ganze bei dem hohen emotionalen Anteil dann vielleicht doch nicht, zudem Rendition dann doch zu eindeutig Position bezieht. Doch gerade die Thematisierung ohne in allzu einfache Muster abzurutschen verdient die Aufmerksamkeit. Teufelskreise des Hasses und die vollkommene Entmenschlichung in diesem Machtsystem sind Erkenntnisse, die durch Gyllenhaals Wandlung zu einem vermeintlichen Halb Happy End abgeschwächt werden, das flaue Gefühl, welches der Film dem Betrachter in den Bauch setzte bekommt er aber dadurch glücklicherweise auch nicht mehr los.

Psycho III

Anthony Perkins, USA 1986
Noch tiefer in den 80ern und noch ein Sequel später sieht "Mutter" inzwischen aus wie Michael Myers. Carter Burwell "scored" währenddessen hochkarätig, 20 Jahre später sollte das Hauptthema von DJ Shadow zum popkulturellen Zitat für die Ewigkeit verarbeitet werden. Bates bekommt unterdessen einen locker-männlichen Sidekick (Jeff Fahey) an die Hand geliefert, während er endlich einmal knutschen darf. Selbstredend eine Nonne, anders geht auch nicht. Schade nur, dass dem Drehbuch zu wenig Aufmerksamkeit entgegen gebracht wurde. Psycho III bleibt ein netter Slasher und kann sich als dritter Aufguss immer noch blicken lassen.

Psycho II

Richard Franklin, USA 1982
Einen interessanten Abgleich zweier hoch unterschiedlicher Jahrzehnte bieten die beiden Sequels von Hitchcocks Großtat. Tief in den 80ern verwurzelt entwickelt Psycho II das Konzept der Hauptfigur weiter und stellt eine "Psychologisierung" des zwischen sensiblen Muttersöhnchen und voyeuristischen Perversen, zwischen Über-Ich und Es gefangenen Protagonisten in den Mittelpunkt. Eine klare Beziehungskonstellation, die Kamera immer bei Norman Bates und im Haus, alles ist diesmal wesentlich übersichtlicher, damit aber auch leidlich spannend und Angst einflößend. Die wilde Twisterei, die sich der Film am Ende erlaubt geht in Ordnung und wehrt sich offensiv dagegen, dass dem Zuschauer die Geschichte ja schon vollkommen bekannt war/ist. Bleibt der Reihe in dem Sinne treu, dass Psycho weiterhin für höchst ungewöhnlichen Horror steht.

Samstag, 12. Juli 2008

Throne of Blood

Das Schloss im Spinnwebwald
Akira Kurosawa, Japan 1957
Shakespeares allgegenwärtige Geschichte um Machtgier und Schicksalsvorherbestimmung auf japanisch. Kurosawa bearbeitet "Macbeth" größtenteils originalgetreu und verändert nur den Schluss zugunsten einer verdichteten und komprimierten Filmfassung. Dabei verdeutlicht er den misogynen Unterton durch den bösen Einfluss des intriganten Weibes, welcher nicht wie in der Vorlage durch Wahnsinn und Selbstmord gesühnt wird - ebenso wie die mysthische Komponente, in dem er die Samurai in ein vernebeltes, weltentrücktes, schimärisches Wäldchen schickt, in welchem sie sich und ihre Menschlichkeit verlieren. Toshirô Mifune spielt wahnsinnig, Kurosawa bleibt hier aber in den Grenzen der Literaturverfilmung.

Freitag, 11. Juli 2008

Sasori: Jailhouse 41

Shunya Ito, Japan 1972
Weitaus kurzweiliger, optisch ansprechender und surrealistisch experimentierfreudiger als der im Jahr darauf folgende Den of the Beast. Ein Road-Revenge-Movie mit stummer Westernheldin, kompromisslos, antiautoritär, feministisch, gewalttätig. Kurz: Wie man es sich wünscht.

Spanking the Monkey

David O. Russell, USA 1994
...oder Frank, der Hund, der beim Masturbieren zuschaut. Russells Debut zeigt sich von einer ehrlicheren Seite als seine späteren Werke aus dem New Whimsy Umfeld. Die Adoleszenzbeobachtung mutiert zum Film über Tabu, Inzest, moderner Ödipuserzählung und das damit einhergehende Blockieren der Identitätsfindung eines Jugendlichen. Die emotionale Annäherung zur Sommerliebschaft bleibt kühl, statt dessen entwickelt sich das Unerwartete. Ein Film über die Schwierigkeit von Intimität, moralisch Verbotenes, leider weiß er selber das nicht immer so ganz genau. Verstörend, wenngleich seltsam dahinplätschernd.

Donnerstag, 10. Juli 2008

Laura

Otto Preminger, USA 1944
Der frühe Noir ziert sich noch ein wenig, da das Genre sich selbst erst noch entdecken muss. Zu sehr harmloser Krimi, wenngleich grundmotivisch bereits alles schon da ist. Preminger wird es später besser machen und überhaupt muss man Laura eher als historisch interessanten Vorläufer zum Genreauftakt sehen.

Mittwoch, 9. Juli 2008

The General

Buster Keaton, USA 1926
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Der Fusion-Kino-Hangar gut gefühlt. Die Leute bereit für einen Trip welcher Art auch immer. Die meisten schlafen gewohnheitsgemäß ein. Die Sitzgelegenheiten eher so mittelprächtig bis durchgenudelt. Zeit für den General von olle Keaton. Der Zug startet verspätet, die Jazz-Combo die ihn musikalisch begleitet lässt die ersten feinen Töne erklingeln. Melancholie möchte in den Raum dringen, allein der Film gibt es nicht allzu häufig her. Dann Rasantes, Mimisches, Komödiantisches, aber in erster Linie doch sehr spektakelhaft Fiebriges.

The General misst den Filmraum aus, macht statt leerer Versprechen ein ziemliches Getöse, das in seiner wilden Akrobatik zum Staunen einlädt. Es ist ein sehr naives, unbelastetes Kino, das in den Kinderschuhen (wohlgemerkt hoch durchprofessionalisiert) seine Möglichkeiten auslotet. Und als Spektakel hat man da viele.

Anti-Held und Tollpatsch, eine begehrenswerte Frau, böse Südstaatler, eine Lok, eine Verfolgungsjagd mit allerlei Raffinessen. The General ist simpelstes Unterhaltungskino, welches noch heute weit besser funktioniert als der Großteil der Nachkommenschaft.

Bitter aufstoßen möchte in solch einem Puppentheater für Erwachsene jedoch dann auch das reaktionäre und leider verherrlichende Bild vom Krieg und dem Militär. Das Bestreben und Begehren zur Befriedigung des eigenen Egos wie auch zum Erhalt des Weibes lautet: Ein anständiger Soldat werden! Keaton schafft es am Ende gar zum General und ist stolz und überglücklich, Frau ist damit auch im Sack, der Krieg war schon vorher zum weiteren "Spektakel" herunter dividiert worden. Die Moral von der Geschicht' erhellt den sonst so kreativen Input des Werkes leider nicht und so bleibt beim Applaus auch ein wenig Stirnrunzeln zurück.

Dienstag, 8. Juli 2008

Match Point

Woody Allen, USA/UK 2005
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bei der Zweitsichtung überzeugender, wenngleich auch weiterhin überkonstruiert und ultrakühl. Spiel um Schuld und Sühne, die im Zeitalter des Kapitalismus zum leeren, toten Blick des Protagonisten und der gesamten Upper Class führt. Johansson gerät vom verführerischen Objekt eben nicht zur Noir femme fatale, sondern zum Opfer, dass hysterisch und verzweifelt untergeht. Beide Proletarier können sich ihrer animalischen Triebe nicht erwehren und müssen sich ihnen zunächst ausgeliefert hingeben. Am Ende bleibt der Sozialdarwinismus aber Sieger. Atmosphärisch Nahe an der Figurengestaltung eines AMERICAN PSYCHO, am Ende zwar nicht so überhöht und brachial, aber doch ebenso böse und verzweifelt. Vielleicht Allens erster richtiger Klassiker.

Freedom Writers

Richard LaGravenese, USA 2007
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Hochtrabend idealistisch mit dem Glauben ans Gute im Menschen auf der Zunge. Glattpoliert und haarsträubend auf Einzelteile und Vereinfachung achtend, dass man es ihm fast nicht mehr abnehmen will. Moralisch einwandfrei, was nie nur gut ist. Trotzdem in Einzelmomenten eines Solidarisierungsidealismus fast ergreifend. Schwacher Score, allerdings schönes musikalisches Zeitkolorit von außen dank gelungener Musikauswahl mit Gang Starr und co. Schwierige Verbindung von Holocaust und Ghettolife, die aber nur zum erzwungenen, überdimensionalen Moralismus beiträgt.