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Dienstag, 13. Januar 2009

SherryBaby/May/Storytelling

Das Motiv, auf welches man jegliche Filme der Drama-Competition beim Sundance-Wettbewerb herunterbrechen kann, ist jenes der dysfunktionalen Familie. Gerne auch anhand kaputter Einzelfiguren. In SherryBaby verfolgen wir Maggie Gyllenhaal als white trash girl direkt aus dem Knast ins neue Leben. Mich wundert es ja manchmal doch, wie sehr die Amis auf Schauspieler und ihre Darstellung von kaputten Figuren fokussiert sind. Das kann hier und da mal äußerst interessant sein (bei The Wrestler etwa), manchmal aber auch reichlich schleppend. SherryBaby ist solch ein new american drama und schmeckt recht fade, denn was er zeigt ist nur eine Welt, in der jeder seine Beschränktheiten erkennen muss, alles seine Ursachen hat und am Ende bei passender Einsicht doch alles irgendwie gut wird.

3 mögliche Lesarten rattern mir bei der Sichtung von Lucky McKees May durch den Kopf. Und zwei davon gefallen mir ganz und gar nicht. May wirkte auf mich durchweg wie ein durchgestylter Kandidat aus der Gothic-Chic Fraktion. Das Bemitleiden einer "weirden" Makaberista, das ausgestellte Außenseitertum, die Codierungen und Symboliken, die Trauer welche zurück bleibt - alles Anzeichen für die Idee dahinter. Zum Zweiten erinnert alles in May an Sundance und den hippen Indy-Film. Die breitgefahrenen Alternativ-Rock-Nummern und auch das Ambiente passen bestens in das mit jedem von dort in die Welt hinausgeschickten Film unsympathischer werdende Indy-Mekka. Die dritte, unbelastetste und vielleicht auch naivste Lesart spricht lediglich vom Erkenntnisgewinn eines genauen Hinschauens auf Liebesgefüge. Die Vereinnahmung des Partners, das selbst geschaffene Idealbild, die narzisstische Kränkung, die nach außen getragenen seelischen Verletzungen in roher Gewalt - das alles findet eine inhaltliche Metapher in McKees kleinem Trauerspiel mit fröhlichem Pfeifen...

In Storytelling hat Todd Solondz erstmals so richtig Lust auf fieses Getue. Keine Figur in seiner überzeichneten Groteske kommt ungeschoren davon. An thematischen Heikelkeiten (Rassismus, Behinderung, Ausbeutung, Homosexualität etc.) entlang hangelnd verheizt Solondz bitterböse sein komplettes Arsenal, vom gutbürgerlichen Familienvater (John Goodman) über den perversen Literaturprof, bis zum Vollzeit-Loser, der auf dem Rücken seiner Figuren einen halbseidenen Pseudo-Dokumentarfilm dreht (Paul Giamatti). In jener Figur spiegelt sich dann auch zweierlei: Zum Einen die Abrechnung mit dem von Solondz verhassten American Beauty, auf den er bewusst anspielt (und der ihm ganz offensichtlich geheuchelt und verlogen vorkommt). Zum Anderen reflektiert er seine eigene Rolle als Arschloch, das hier seine Figuren bloßstellt. Er spielt ganz bewusst mit den Kategorien "Fiktion" und "Non-Fiktion" und lässt die Grenzen im Film verschwimmen, während sein Werk als Ganzes nur zu offensichtlich eine boshaft-hämische Konstruktion ist. Ob die Thematisierung dieser Tatsache von ihm selbst den ganzen Film aber automatisch "entschuldigt" vermag ich nicht zu sagen. Ein Narzisst, der sagt, dass er einer ist, wird ja auch nicht automatisch zum Sympathen.

Mittwoch, 13. August 2008

Palindromes & You and Me and Everyone We Know

Todd Solondz, USA 2004 / Miranda July, USA 2005

Wo es das postmoderne Independentkino aus Amerika in den letzten Jahren hinverschlagen hat ist anmerkenswert. Die neuen Welten von Anderson, Russell und co setzen sich zusammen aus seltsamen Stimmungen, grotesk-tragischen Situationen, skurril-neurotischen Figuren und narrativen Tricksereien, die meist weniger selbstzweckhaft sind als die Plotpointen des Hollywoodkinos. Diese filmischen Verwirrspiele vermögen es besser als jeder Genrefilm einen Zeitgeist nachzuzeichnen, den es sich lohnt aus der bunten Gemüsesuppe herauszulesen.

Zwei der vielleicht kennzeichnendsten Vertreter aus dieser New Whimsy-Welle sind Todd Solondz PALINDROMES und Miranda Julys YOU AND ME AND EVERYONE WE KNOW. Solondz Film greift zunächst ein bedeutsames Phänomen auf: Im ersten Drittel skizziert er die Leidensgeschichte des adoleszenten Unbehagens, der sensiblen und häufig verqueren Identitätsfindung. Acht verschiedene Figuren spielen ein Mädchen, dass sich aus einem Mix aus Neugier und Langeweile schwängern lässt - eine bezeichnende Szene der Unsicherheit. Alle acht Figuren unterscheiden sich in etlichen Aspekten voneinander (Körperfülle, Hautfarbe), jedoch nur geringfügig im Alter. Das Teen flüchtet und stürzt in eine Situation, von der an PALINDROMES seltsam umkippt in einen überdrehten Abgesang an eine fundamentalistische christliche Rechte und praktisch einen neuen Film anfängt. Am Ende dreht sich alles zurück auf die Vorstadthölle aus der das Mädchen gekommen ist, und die tragische Figur der Geschichte - der intellektuelle Schwarzseher - ergreift als Ausgestoßener das Wort und klärt im pessimistischen Schlussmonolog auf.

Miranda July hingegen entwirft keinerlei Konzeptwerk, sondern intuitives Fragmentkino. Im auf der DVD angehängten Interview mit ihr wird schnell klar mit welch künstlerischer Exaltiertheit man es bei der Stichwortgeberin zu tun hat. So ungeordnet und verquer ihre Gedankenwelt ausformuliert ist, so stellt sie sich auch in YOU AND ME AND EVERYONE WE KNOW dar. Keine Kurzgeschichte wird ohne Tabu versehen, keine Figur ohne Affektiertheit, keine Entwicklung ohne skurriles Gimmick. Wird bei PALINDROMES vor allem eine Ziellosigkeit und eine Gefangenheit in einer ungeordneten Welt thematisiert, gibt July auf formaler Ebene Auskunft über ihre Gefühlswelten, die sich im modernen amerikanischen Independentkino des Häufigeren finden lassen. Ihr bizarres Universum der Stichwörter, in dem man schnell - Hoppla! - die Hand vor den Mund nehmen darf, wirkt wie ein Prototyp eines Himmelskörpers, der in einer Galaxie aus Andersons und Braffs eine Richtung anzeigt, deren genaue Koordinaten erst noch gefunden werden müssen.

Freitag, 11. Juli 2008

Spanking the Monkey

David O. Russell, USA 1994
...oder Frank, der Hund, der beim Masturbieren zuschaut. Russells Debut zeigt sich von einer ehrlicheren Seite als seine späteren Werke aus dem New Whimsy Umfeld. Die Adoleszenzbeobachtung mutiert zum Film über Tabu, Inzest, moderner Ödipuserzählung und das damit einhergehende Blockieren der Identitätsfindung eines Jugendlichen. Die emotionale Annäherung zur Sommerliebschaft bleibt kühl, statt dessen entwickelt sich das Unerwartete. Ein Film über die Schwierigkeit von Intimität, moralisch Verbotenes, leider weiß er selber das nicht immer so ganz genau. Verstörend, wenngleich seltsam dahinplätschernd.